Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Khadija

Schöne Khadija

Titel: Schöne Khadija
Autoren: Gillian Cross , Tanja Ohlsen
Vom Netzwerk:
Gewehrlauf und starrte mich mit großen Augen an. Wir starrten uns gegenseitig an.
    Der andere Entführer drehte sich um, um zu sehen, was vor sich ging. In diesem Augenblick löste sich Tony, der Fotograf, aus der Menge, die Kamera hoch erhoben und ein Blitzlicht in der anderen Hand. Direkt vor dem Laufsteg löste er den Blitz aus.
    Dieser Blitz war die Chance für Mahmoud. Als Tony sein Bild machte, riss er sich los und wirbelte von dem Mann weg, der ihn festhielt. Und gleichzeitig packte er das Gewehr und entriss es dem Mörder.
    Plötzlich war alles anders. Mahmoud zog sich den Laufsteg entlang zurück und zielte auf die Männer, die ihn hergebracht hatten. So laut er konnte schrie er auf Somali.
    Und ich stand immer noch mit dem Tuch in der Hand da und starrte das Gesicht an, das ich enthüllt hatte.
    Das Gesicht meines Vaters.

Mahmoud war so tapfer, so klug – ich konnte es kaum fassen.
    Alle anderen standen hilflos herum – all die reichen Leute, die ins Dorf gekommen waren und Befehle gegeben hatten. Sie hatten keine Ahnung, was sie tun sollten, und waren nur entsetzt. Wahrscheinlich hatten die meisten von ihnen noch nie ein Gewehr gesehen. Die Einzige, die es wagte, etwas zu sagen, war Sandy, und sie machte die Sache nur noch schlimmer. Ich dachte schon, die Entführer würden alle erschießen.
    Doch Mahmoud hat uns alle gerettet.
    Er sah seine Chance, an das Gewehr eines der Entführer zu kommen, und trat dann zurück, um die Situation in den Griff zu bekommen. Und er wusste, wie er das, was er sich erobert hatte, benutzen musste. Als einer der Männer einen Schritt nach vorne machte, zielte Mahmoud schnell und schoss ihm in den Fuß. Der Mann schrie vor Schmerz auf … und dann widersetzte sich ihm niemand mehr.
    Ich sah das alles von hinten, weil ich am anderen Ende des Laufsteges stand, wo ich die Show abschließen sollte. Ich konnte Mahmouds Gesicht nicht erkennen, aber ich sah seine gerade Haltung und wie er selbstbewusst den Kopf hob. Alle sahen ihn an.
    Das dachte ich zuerst. Doch dann ging ich einen Schritt zur Seite und sah Abdi und den anderen Entführer. Sie starrten einander an, als gäbe es Mahmoud und das Gewehr und den Rest des Dorfes gar nicht.
    Mahmoud hob das Gewehr und gestikulierte zu den Männern. »Runter!«, schrie er. »Runter von der Bühne und zurück zu eurem Jeep, bevor ich euch erschieße!«
    Wenn die beiden Männer fit gewesen wären und zusammengearbeitet hätten, hätten sie Mahmoud vielleicht überwältigen und ihm das Gewehr abnehmen können. Aber nur einer von ihnen achtete überhaupt auf Mahmoud und der hatte einen verletzten Fuß. Einen Augenblick lang zögerte er, dann setzte er sich auf den Rand des Laufstegs und ließ sich ganz vorsichtig zu Boden gleiten.
    »Komm, Sanyare!«, rief er über die Schulter zurück. Seine Stimme klang wütend. »Oder willst du dableiben  – und kriegen, was du verdient hast?« Als der andere Mann nicht auf die Beleidigung reagierte, rief er noch einmal nach ihm. »Komm schon, Ahmed!«
    Sobald ich den richtigen Namen des Mannes hörte, verstand ich. Das war Abdis Vater! Deshalb starrten sich die beiden so an. Als ich das erkannte, wurde die Verwandtschaft zwischen den beiden sofort offensichtlich. Sie zeigte sich nicht nur im Gesicht des Mannes, sondern auch in der Art, wie er stand oder sich bewegte.
    Einen langen Augenblick lang starrte er Abdi an, als würde er auf etwas warten. Aber Abdi rührte sich nicht und sagte kein Wort. Schließlich sprang sein Vater von der Bühne und ging zu dem anderen Entführer, legte ihm einen Arm um die Schultern und stützte ihn, als sie das Dorf verließen.
    Von hinten sah er Abdi noch ähnlicher. So würde Abdi aussehen, wenn er ein Mann war, und wenn er enttäuscht und besiegt war.
    Und Abdi sah ihm sehr ähnlich. Als er den Entführern auf dem Weg am Laufsteg vorbei nachsah, wusste ich genau, wie sein Vater als junger Mann ausgesehen haben musste, als er zum ersten Mal begriff, wie schwer das Leben ist. Wenn man seinen Vater verliert, verabschiedet man sich von einem Teil seiner selbst.
    Die beiden Männer gingen in die leere, kahle Wüste hinter dem Dorf hinaus, an mir vorbei, als wäre ich unsichtbar. Mahmoud drehte sich um und folgte ihnen mit dem Gewehrlauf. Ich ließ ihn sich konzentrieren, bis sie aus dem Dorf hinaus und in Reichweite der Wachen waren.
    Dann sprang ich auf den Laufsteg. Er wandte sich mir zu und alsich sah, was diese Männer mit seinem Gesicht gemacht hatten, hätte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher