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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre
Autoren: F Schmöe
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einem Stück Schalotte knabberte.
    »Das«, befand Tom, »ist ihr Problem. Wenn sie dir ihre Adresse nicht geben will, muss sie selber zusehen, wie sie das Geld wiederkriegt.«
    »Wieso steigere ich mich immer in einen Stress rein, der gar nicht meiner ist …«, murmelte Katinka, schläfrig geworden in der warmen Küche und von dem Wein, den Tom ihr aus dem Bocksbeutel servierte.
    »Gut erkannt!«
    »Aber deine Leichtigkeit ist ganz ungewohnt. Bist du nicht immer derjenige, der Bedenken anmeldet, sobald vermeintliche Gefahr im Verzug ist?«
    Er grinste.
    »Ich bin dein persönlicher Rottweiler.«
    »Na, vielen Dank!«
    Froh, dass sie sich diesmal nicht über Risiken im Job stritten, lehnte Katinka sich zurück. Tom hatte recht: Sie konnte jederzeit aus dem Fall aussteigen. Außerdem würde sie Pawlowicz nicht im einsamen Wald beschatten, sondern mitten auf Bambergs belebtester Kneipenmeile.
    »Läuft das morgen Abend?«, fragte Tom. »Ich wollte sowieso mal wieder mit einigen von den Jungs ein Schafkopf-Wochenende veranstalten. Macht’s dir was aus, wenn wir gleich morgen loslegen?«
    »Wollt ihr ins Sommerhaus fahren?«
    Eine Erbschaft hatte ihr im vergangenen Sommer neben einem anständigen Batzen Geld und einem Beetle Cabrio ein Ferienhäuschen in der Fränkischen Schweiz zugespielt, ein voll eingerichtetes kleines Wohnhaus inklusive Heizung und warmem Wasser, im Winter ebenso zu bewohnen wie zu jeder anderen Jahreszeit. Tom spielte dort gern den Gastgeber, wenn seine drei Schafkopfkollegen mit Bierkästen auf den Schultern anrückten, um ein Wochenende lang zu zocken und zu zechen.
    »Wenn es dir recht ist«, sagte Tom leichthin und küsste ihr Ohr. »Es ist schließlich dein Haus.«
    Als sie im Bett lagen, Tom schlief schon fest, träumte Katinka die weiten Hügel und die Wälder der Fränkischen Schweiz herbei, stellte sich vor, wie Schnee bald all die Sanftheit zudecken würden. Schon beinahe über der Schwelle des Schlafes überlegte sie, ob sie die Beschattung schnell genug geregelt bekäme, um am Sonntag zu den Männern zu stoßen. Sie schlief ein und trieb durch ungewisse, graue Träume.
     
     
    Samstag, 8. 1. 2005, 22 Uhr.
     
    Tom fuhr am Samstagnachmittag in Richtung Fränkische Schweiz ab, Bier und Schafkopfkarten im Gepäck. Katinka seufzte, als sie die leere Wohnung rauschen hörte. Sie gönnte Tom das freie Wochenende. Er kaute noch an den Schicksalsschlägen des vergangenen Sommers. Seine Mutter Ella hatte einen Schlaganfall erlitten und sich nie wieder davon erholt, sodass sie für mehrere Monate in verschiedenen Rehabilitationseinrichtungen verbringen musste. Außerdem war durch dieses Drama eine finstere, bislang unter Verschluss gehaltene Seite in der Vergangenheit seiner Familie ans Licht gekommen: Ella, die der Gehirnschlag von einer Minute zur anderen in ein neues und beängstigendes Leben gestürzt hatte, war nicht Toms wirkliche Mutter. Sein Vater Bernhard hatte Tom während eines Seitensprungs gezeugt, als er schon mit seiner späteren Ehefrau verlobt war. Tom wurde wie eine Art Mitgift in die Ehe gebracht und von Ella großgezogen. Nie hatte er daran gezweifelt, dass sie seine Mutter war. Den Schock dieser plötzlichen Offenbarung konnte er noch immer nicht überwinden und hielt ihn wachsam verborgen. Kontakt zu seiner biologischen Mutter wollte er nicht aufzunehmen. Ka-tinka hatte nach Wochen des Nachfragens und Drängens erkannt, dass Tom seine Zeit brauchte, um die veränderten Vorzeichen zu einem Teil seiner persönlichen Geschichte zu machen, und dass er selbst am besten wüsste, wann der ideale Zeitpunkt für eine Annäherung gekommen war.
    Katinka seufzte. Wenigstens der Kater war dageblieben. Ausnahmsweise ließ Vishnu sich das rotgetigerte Fell streicheln, bevor er in seiner üblichen herablassenden Art davonstolzierte.
    Um kurz vor 10 Uhr zog sie Skiunterwäsche an, einen warmen Pullover und dicke Winterstiefel, schnallte das Pistolenholster um, warf den Mantel über und schloss die Tür zweimal hinter sich ab. Winterliche Beschattungen waren nicht gerade das, worum sie sich riss. Das zunehmende Misstrauen im Privaten wie im Beruflichen bescherte ihr immer mehr Aufträge dieser Art. Katinka nahm, was kam. Manchmal lief es locker, der Auftrag war flugs ausgeführt, die Beweise eingesammelt. Leicht verdientes Geld. Es gab andere Gelegenheiten, bei denen sie sich die Nase abfror und später mit Schnupfen und Halsschmerzen im Bett lag. Blieb zu hoffen, dass der Gott der
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