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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen
Autoren: Anja Abens
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ich sagen würde: »Na ja, weil ich Satanistin werden will«, dann würde das nichts an der Tatsache ändern, dass es mein Wille ist.
    Ich will weder Satanist noch Grufti noch sonst etwas werden. Ich mag Schwarz, ich mag keine Klischees, aber ich mag Schwarz. Ich möchte nicht mit Menschen in eine Schublade gesteckt werden, die meinen, sie würden sich von der Gesellschaft abgrenzen, und dann plötzlich, siehe da, selbst eine Gesellschaft bilden. Eine Gesellschaft mit vielleicht anderen, aber ebenso dämlichen Normen und Werten. Ich will in gar keine Kackgesellschaft, ich will nur meine Ruhe. Und wenn ich mir meine Haare schwarz töne, weil ich es schön finde, und ich dabei den wunderbaren Nebeneffekt genießen darf, dass die anderen anfangen zu denken, ich wolle mich von ihnen abgrenzen und mich daher von selbst in Frieden lassen, dann nehme ich das dankend hin. Dumme kleine Gesellschaft, ich belächle dich.

2. KAPITEL
    Anja
    Meike hat ein schönes Zeugnis. Ich habe allen meinen Kindern versucht zu vermitteln, dass eine gute Ausbildung wertvoll ist, aber dass sie sich damit nicht unter Druck setzen müssen. Sie sollen arbeiten, um das zu erreichen, was in ihnen liegt. Wenn sie das Gymnasium besuchen, gut, aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Trotzdem war Schule für die beiden Älteren ab der Mittelstufe ein Stressfaktor, wenn es nach Aussage der Lehrer auch nicht an Begabung mangelte. Die Frage, ob es an den Kindern, uns Eltern oder der Schule lag, konnte ich mir bisher nicht wirklich beantworten. Bei Marvin waren die Voraussetzungen anders, vieles, was andere als Kleinkinder lernen, hat er erst als Schulkind und im Zusammenleben mit uns nachgeholt. Trotzdem schaffte er die Realschule. Wir alle, auch Marvin selbst, waren stolz darauf. Erst als Frau Bast sich einmischte, fingen die Probleme an.
    Meikes Durchschnitt liegt bei einer glatten Zwei, aber sie wirkt nicht so zufrieden, wie ich es erwarten würde. Oder vertue ich mich? Ich bin froh, dass der Urlaub bevorsteht, er wird uns allen dreien guttun.
    Ein Urlaub nur mit Meike. Und wir wollen etwas Besonderes machen, denn zu dritt sind wir noch nie unterwegs gewesen. Unsere Wahl fällt auf Italien. Nachbarn empfehlen uns den Lido de Jesolo. Von dort aus können wir auch Venedig gut erreichen. Meike freut sich. Ihr derzeitiges Lieblingsbuch, Der Herr der Diebe , spielt in Venedig und sie will die Orte besuchen, die im Buch beschrieben werden.
    Bevor wir starten, gehen Karl und ich noch einmal ums Auto herum, überlegen, ob wir auch wirklich nichts vergessen haben. Meike sitzt schon auf der Rückbank, den Discman auf den Beinen, Bücher, Notizblöcke und Stifte um sich herum. Als sie uns sieht, nimmt sie die Hörknöpfe aus den Ohren und lässt die Scheibe hinunter. »Geht’s jetzt los, oder was?« Karl und ich müssen lachen, wir steigen ein und es stellt sich dieses Gefühl von Freiheit ein, das man oft am Beginn einer Ferienreise verspürt. Selbst der Stau vor dem Tauerntunnel verdirbt uns nicht die Laune. Wir fahren erst mal ab und machen ausgiebig Rast in wunderbarer Luft und Natur. Nachdem wir uns wieder in die stehende Blechlawine eingeordnet haben, steigen wir immer mal wieder aus, klettern die grünen Abhänge hinauf und genießen die Aussicht. Die Berglandschaft beeindruckt uns, obwohl wir typische Meerurlauber sind. Alle unsere Kinder lieben das Meer. Selbst Marvin, der zu Anfang ängstlich mit Wasser umging, lernte schnell schwimmen und wurde eine Wasserratte, obwohl er bei seinem mageren Körperbau viel schneller fror als die anderen drei. Aber dem wundervollen Anblick der mächtigen Berge können wir uns nicht entziehen. Ergriffen setzen wir uns wieder ins Auto und setzen die Fahrt fort. Am Ende der Tour bin ich erschöpft, wie immer auf den Ferienfahrten, denn Karl hat nie einen Führerschein gemacht. Doch alles geht glatt. Wir finden die Touristeninformation des Ferienortes und das Hotel auf Anhieb. Es ist das erste Mal, dass wir ein Hotel gebucht haben. Als Großfamilie haben wir meist Ferienhäuser oder -wohnungen gemietet oder Camping gemacht. Leider stelle ich recht schnell fest, dass ich weder ein Hoteltyp bin noch ein Fan von überlaufenen Ferienorten. Ich liebe Ruhe – und Ruhe gibt es an diesem Ort nicht. Natürlich machen wir das Beste daraus. Wir mieten uns unseren Sonnenschirm am Strand, der so überfüllt ist, wie ich es bisher nur aus den Medien kannte: Jeder hat seine Liegestuhlbreite Platz. Gott sei Dank lesen wir gern, und
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