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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
Autoren: Georg Lehmacher
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ich Hintergrundgeräusche mit. Der Fernseher, Autos auf dem Hof oder der Straße, einmal glaube ich, Schritte zu hören, und die Zimmertür. Im Halbschlaf träume ich, dass ich das EKG noch mal durchchecke. Es mischt sich mit dem, was ich von der Star-Trek-Folge, die auf dem Bildschirm läuft, mitbekomme. »Der Hauptgenerator ist getroffen, ich kann die Schutzschilde nicht mehr aktivieren.« Das Geheul von Sirenen. »Alarmstufe Rot.« Ich träume, ich könnte fühlen, wie mein Piepser Funkwellen empfängt, und bin plötzlich wach. So ein Blödsinn! , denke ich und schaue mich benommen um: Die Klingonen sind alle weg. Die Uhr zeigt Viertel nach zwei. Aber gerade in dem Moment geht der Alarm des Piepsers los.
    Ich schnappe meinen Schlüssel, der auf dem Tisch liegt, und laufe rüber in die Fahrzeughalle. Nicht mal eine ganze Minute später melde ich mich bei der Leitstelle. Ich höre noch den Rest einer Einsatzmeldung, die wiederholt wird. Vielleicht der Einsatz, zu dem wir auch gleich geschickt werden? Die Stimme kommt mir bekannt vor. Es ist die von Lampe. Die Notärztin steigt zu, während ich den Einsatz entgegennehme.
    Ein Kreislaufversagen in einem Altenheim in Haunstetten.
    »Wieso wir? Wo ist denn der Haunstetter Notarzt?«, fragt sie.
    »Keine Ahnung«, entgegne ich. Woher soll ich es auch wissen, ich bin ja auch nicht wirklich länger wach als sie. Ich habe das Gefühl, ich müsste den Namen der Patientin irgendwoher kennen, aber es fällt mir nicht ein, und jetzt muss ich mich auf das Fahren konzentrieren.
    Um diese Uhrzeit ist es angenehmer, mit Blaulicht unterwegs zu sein, als tagsüber. Es gibt kaum Verkehr, und das Lichtsignal wird schon in weiter Entfernung wahrgenommen. Nur die vielen unübersichtlichen Baustellen sind nervig, fordern Zeit und Konzentration. Ist die eine Baustelle weg, haben sie daneben eine neue errichtet, und wenn sich dann dadurch auch noch der Straßenverlauf ständig ändert … Wo man gestern noch fahren konnte, ist heute vielleicht schon gesperrt.
    Als wir bei dem Altenheim in Haunstetten ankommen, steht der Rettungswagen vor dem Haus, unter der Motorhaube knackt noch leicht der abkühlende Motor. Das Licht hat der Fahrer anscheinend in der Eile vergessen. Da die Tür nicht abgesperrt ist, mache ich es rasch aus. »Die Kollegen freuen sich vielleicht, wenn sie später noch weiterfahren können!«, rufe ich Frau Dr. Singer zu, die schon am Eingang steht und klingelt. Einen Moment später öffnet sich die Tür. Kurz schauen wir auf den Wegweiser zu den Zimmern, der an einem Infobrett hängt, aber dann laufen wir weiter, denn man kann die Kollegen schon hören. Wir passieren noch eine Glastür. Wenigstens die ist offen.
    Beim Näherkommen sehen wir die Kollegen am Ende des Gangs auf dem Boden knien. Sie sind ganz offensichtlich beim Reanimieren.
    »Ach nee, Lampe und Spitzberger, das Dreamteam …«, sagt meine Notärztin.
    Immerhin haben sie neben den »Basismaßnahmen« sogar schon einen venösen Zugang gelegt, der Sauerstoff hängt am Beatmungsbeutel. Während die beiden mit dem Beatmen und der Herzdruckmassage beschäftigt sind, beginnt die grauhaarige, auffallend große und breitschultrige Altenpflegerin, ein paar Dinge zur Krankheitsgeschichte der Patientin zu erzählen. Lampe, der die Herzdruckmassage macht, hat schon ein rotes Gesicht, ich sehe von oben auf der Glatze zwischen den Ohren Schweißperlen. Man hört etwas knacken, vermutlich eine Rippe der Patientin. Ein widerliches Geräusch, aber gerade bei älteren Patienten, bei denen die Knochen oft nicht mehr so elastisch sind, kann man es nicht immer verhindern.
    »Soll ich weitermachen?«, frage ich.
    »Ja. Ich kann langsam nicht mehr«, sagt Lampe, und ich übernehme die Druckmassage. Versuche es so vorsichtig wie möglich, lieber nicht zu tief, dafür korrekt entlasten. Trotzdem knackt es wieder. Noch eine Rippe gebrochen. In mir zieht sich alles zusammen. Ich sehe in das regungslose, blau verfärbte Gesicht der alten Frau.
    »Tut mir leid …«, murmele ich leise.
    Lampe schaut aufs EKG , ruft: »Geht mal weg, Analyse.«
    Einen Moment später nimmt er die Paddels in die Hand und setzt sie auf. Ich ziehe mich zurück, halte die Hände demonstrativ so, dass der Kollege sehen kann, dass sie die Patientin jetzt nicht mehr berühren. Ich schaue weg, als sie den »Schock« erhält. Ein kurzer Blick auf das EKG , dann geht es weiter mit Beatmen und Herzdruckmassage.
    Lampe will eine Ampulle Adrenalin aufziehen, aber sie
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