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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben
Autoren: Sandra Gladow
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ließ.
    »Dass du schon wieder ans Essen denken musst«, tadelte Bendt und schlug seinerseits die Autotür zu. Die Tatsache,dass heute mal wieder ziemlich viele Gaffer am Absperrgitter herumstanden, nervte ihn sichtlich. »Guck dir die Leute an«, schnaubte er und zog sich seine blaue Wollmütze über den Kopf, von der Braun fand, dass sie seinen Kollegen wie einen Einbrecher aussehen ließ. »Wir bieten unserem Publikum hier mal wieder das perfekte Alternativprogramm zum Weihnachtsmärchen.«
    Braun zuckte ungerührt mit den Schultern, er trottete gelassen neben Bendt in Richtung des Absperrgitters und hörte geduldig zu, wie der sich mal wieder über die Gaffer echauffierte. An Braun perlte derartiger Ärger ab wie Wasser an einer schwimmenden Ente.
    »Ich liebe es, wenn die Leute sich so brennend für unsere Arbeit interessieren«, zischte Bendt ironisch, als er sich durch die Menge von Passanten schob, die Schmalzgebäck oder gebrannte Mandeln kauten, während sie über das Geschehen am Tatort diskutierten und vor Kälte von einem Bein auf das andere traten.
    »Ich frage mich, warum du so schlecht gelaunt bist. Du hast doch schon letzte Woche gesagt, dass du hoffst, einen Einsatz zu bekommen. Also hör auf, dich aufzuregen, und bedank dich artig bei der Leiche dafür, dass sie und nicht deine Schwiegereltern in spe den Nachmittag mit dir verbringt und …« Braun stockte, weil er sich daran zu erinnern versuchte, was Bendt über den bevorstehenden Adventskaffee geäußert hatte. »… und, ach ja, dir heute eine zwangsintellektuelle Unterhaltung mit Annas Eltern erspart bleibt.«
    Bendt kommentierte die Spitze nicht, sondern warf Braun nur einen vorwurfsvollen Blick zu. Im Polizeiareal wurden sie bereits von den Kollegen von der Spurensicherung erwartet. Während Braun sofort zu dem Rechtsmedizinerhinüberging, wandte sich sein Kollege zunächst einem abseits stehenden Beamten zu, um sich über den bisherigen Stand der Ermittlungen zu informieren.
    Die Tote war mit einer Plane abgedeckt, und Karl Fischer von der Rechtsmedizin war dabei, seinen mit OP-Besteck und geheimnisvollen Tiegeln überfüllten Spurensicherungskoffer im grellen Licht der aufgestellten Polizeistrahler zu sortieren.
    »Moin«, krächzte Fischer und blickte nur flüchtig auf. Er hatte die Kapuze seines weißen Schutzanzuges eng unter dem Kinn zusammengezogen und schniefte vernehmlich. Er hatte sich seinen Mundschutz auf die Stirn raufgezogen, und seine glasigen Augen und die knallrote Nase ließen ihn in dem weißen Ganzkörperkondom ein bisschen wie einen Außerirdischen aussehen.
    »Hallo, Karl«, begrüßte der Hauptkommissar seinen langjährigen Freund von der Rechtsmedizin und ging zu ihm in die Knie. »Du hast dir ja richtig einen aufgesackt, was? Wenn ich das mal sagen darf, siehst du ziemlich beschissen aus.«
    Fischer gab einen leidgeplagt klingenden Seufzer von sich. »Ich hätte mal auf die da drüben hören sollen.« Er deutete auf ein Plakat im Schaufenster des Hauses, aus dem die Tote gestürzt war. Eine hübsche und lebensgroß abgebildete Brünette im Rollkragenpullover, die eine dampfende Tasse Tee in der Hand hielt, lächelte ihnen freundlich zu. »Bitte erkälten Sie sich nicht«, lautete die gut gemeinte Empfehlung, die in großen gelben Lettern das Plakat der dort befindlichen Apotheke schmückte, welches zwischen zwei dekorativen roten Weihnachtssternen platziert war. »Ich huste mir die Seele aus dem Leib, und sie hat nichts Besseres zutun, als mich anzugrinsen. Die sollte mir lieber auch mal einen Tee bringen.«
    Braun lachte auf und blickte sich um, um sich einen groben Überblick über die Umgebung zu verschaffen. Er war sicher, dass zur Unglückszeit viele potenzielle Zeugen unterwegs gewesen waren. Schon die Apotheke war groß und der Publikumsverkehr mit Sicherheit entsprechend immens.
    »Ich fühle mich sterbenskrank«, stöhnte Fischer. »Eigentlich könnte ich mich auch gleich danebenlegen.« Er deutete auf die Leiche, die keinen Meter von ihnen entfernt lag. Brauns Blick glitt flüchtig über die Plane, unter der sich der Körper der Toten deutlich abzeichnete. Er verspürte wenig Neigung, darunterzuschauen. Sturzopfer hatten immer etwas Marionettenhaftes, wie er fand. Ihm waren Opfer mit amtlichen Schuss- oder Stichverletzungen wesentlich sympathischer.
    »Hast du Hinweise auf ein Fremdverschulden?«, fragte Braun und registrierte, dass die Kälte ihm unangenehm den Rücken hinaufkroch. Seine Jacke bedeckte,
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