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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben
Autoren: Sandra Gladow
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als du – nicht gleich an das Schlimmste.« Bendt hob die Brauen und sah Anna herausfordernd an. »Vielleicht auch schon mal an soetwas Harmloses wie einen Unfall oder einen Selbstmord gedacht, Frau Staatsanwältin?«
    Anna guckte etwas verdutzt, denn sie hatte diese Möglichkeit tatsächlich nicht in Betracht gezogen. »Habe ich was verpasst, oder bist du nicht mehr bei der Mordkommission? Warum sollten die euch denn sonst gerufen haben?«
    »Weil wir so unheimlich schlau sind. Mal im Ernst. Ich habe keine Ahnung. Mag sein, dass du recht hast, aber offenbar ist die Lage am Tatort nicht ganz so eindeutig. Auf jeden Fall hat Braun schon, nachdem er telefonisch von der Streife informiert worden war, die Spurensicherung veranlasst, und wir sind so spät dran, weil er selbst von einem anderen Tatort kommt. Kann gut sein, dass ich pünktlich zum Abendessen wieder hier sein werde.« Bendt stieß Anna freundschaftlich in die Seite. »Ich verspreche, dass ich mein Möglichstes tue.«
    Anna maß ihn mit einem vorwurfsvollen Seitenblick. »Und wenn – ich glaube dir kein Wort. Ich verstehe auch nicht, weshalb du wegen meiner Eltern immer so ein Theater machst. Sie sind doch wirklich ganz nett.«
    »Sogar sehr nett«, sagte Bendt mit Nachdruck, »wenn man mal von der geringfügigen Kleinigkeit absieht, dass deine Mutter keine Gelegenheit auslässt, mich daran zu erinnern, dass ihre großartige Frau Tochter etwas Besseres verdient hätte als einen schlecht bezahlten Kommissar.«
    Anna legte die Aufsätze des Rührgerätes, die sie gerade einsetzen wollte, noch einmal auf der Arbeitsfläche ab und atmete betont laut aus. Sie kannte ihren Freund gut genug, um in seiner Stimme neben der Ironie eine Verletzlichkeit auszumachen, für die sie nur bedingtes Verständnis aufbringenkonnte. Zwar konnte sie einerseits nachfühlen, dass er sich über die eine oder andere Spitze ihrer Mutter ärgerte, die tatsächlich zumeist Annas höhere Bildung und bessere Stellung betraf. Auf der anderen Seite machte er es sich mit seinen ständigen Dienstausreden ein bisschen einfach. Denn bisher hatte Bendt ihren Eltern erdenklich wenig Gelegenheit gegeben, ihn richtig kennenzulernen. Und das, obwohl er inzwischen mehr bei ihr als in seiner eigenen Wohnung wohnte, in der das schlimmste Junggesellenchaos herrschte und die Anna deshalb nicht freiwillig betrat. Was ihre Eltern anging, stand er sich – aus ihrer Sicht – ein wenig selbst im Weg.
    »Du darfst das, was meine Mutter sagt, nicht persönlich nehmen. Sie fände dich wahrscheinlich gerade dann mal gut genug für mich, wenn du der Fürst von Monaco wärest oder so …«
    »Oder der fantastische Vater deiner Tochter, versteht sich.«
    Anna verdrehte die Augen und seufzte genervt.
    »O bitte, verschone mich damit. Georg ist nun einmal Emilys Vater, und ich bin froh darüber, dass er sich so viel um sie kümmert. Dass meine Eltern ihn mögen und sich gewünscht hätten, dass ich mit dem Vater ihres Enkelkindes auch zusammenlebe, ist doch nur normal. Denk doch mal daran, wie lange sie ihn schon kennen.«
    Das Läuten an der Tür ersparte es Anna, sich weiter mit diesem leidigen Thema zu beschäftigen.
    »Oma!«, schrie Emily aus dem Wohnzimmer, und das dann prompt wahrzunehmende Poltern, das von einem lauten Getrappel auf dem Flur abgelöst wurde, ließ Anna mehr als nur vermuten, dass ihre Tochter alles stehen undliegen gelassen hatte und zur Tür gerannt war. Bendt und Anna folgten ihr in kurzem Abstand, kamen aber trotzdem zu spät, um zu verhindern, dass Emily die Tür, kaum dass sie einen Blick über die Schwelle geworfen hatte, wieder zuschlug.
    »Du hast Glück, es sind jedenfalls nicht meine Eltern«, sagte Anna trocken. »Eigentlich hätte ich es dir gegönnt, dass sie es sind.« Sie hob Emily hoch, die sich offenbar erschreckt und in ihre Arme geflüchtet hatte. Als Anna die Tür wieder aufmachte, vergrub Emily ihren Kopf an Annas Schulter. Wie erwartet, stand der regelmäßig etwas derangiert und zerzaust wirkende Hauptkommissar Braun vor der Tür, dessen untersetzte Statur seinem Spitznamen Teddy alle Ehre machte. Er war mit seinen knapp 1,75  Meter kaum größer als Anna, und man brauchte weder Kommissar noch sonst ein erfahrener Ermittler zu sein, um von Theodor Brauns Bäuchlein auf eine gewisse Leidenschaft für Currywurst und deftiges Essen zu schließen.
    »Ich gebe zu, schon freundlicher begrüßt worden zu sein«, sagte der Hauptkommissar amüsiert und drückte Anna und Bendt
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