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Schneetreiben

Schneetreiben

Titel: Schneetreiben
Autoren: Sandra Gladow
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inzwischen gefunden und ging jetzt, die Klinge auf Bendt gerichtet, auf ihn zu. Sie verzog ihre Augen zu schmalen Schlitzen und drehte das Messer bedrohlich in ihrer Hand hin und her, als sie ihn erreicht hatte. »Du bist ein erbärmlicher Lügner, weißt du das?«
    »Du willst mich damit jetzt aber hoffentlich nicht ermorden, nur weil ich nicht mit euch Kaffee trinke, oder?« Bendt hob seine Hände in einer Geste der Kapitulation und wich einen Schritt zurück.
    »Sagen wir mal so, ich denke gerade ernsthaft darüber nach.« Gegen ihren Willen musste Anna über die Grimasse, die Bendt zog, lachen.
    »Gut, dann erinnere ich dich aber rein vorsorglich mal daran, dass du deine weitere Karriere als Staatsanwältin vergessen kannst, wenn du mir etwas antust, und deine Füße muss dann auch ein anderer massieren. Du solltest dir also ganz genau überlegen, ob das eine gute Idee ist, wenn du ausgerechnet mich umbringst.«
    Anna fand sein Lächeln mal wieder so bestechend, dass ihr Ärger zu verrauchen drohte. Es war wohl Bendts Charme zu verdanken, dass sie ihm nie lange ernsthaft böse sein konnte. Beide mussten lachen, als er ihr das Messer aus der Hand nahm und augenzwinkernd sagte: »Ich nehme das vorsichtshalber mal an mich.« Dann schlang er seine Arme um ihre Taille und hauchte ihr einen Kuss auf die Nase.
    »Nicht sauer sein«, bat er und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus dem lose gebundenen Zopf ihrer dunklen Locken gelöst hatte und ihr ins Gesicht gefallen war. Er zog sie noch ein Stück zu sich heran, und Anna wusste genau, dass er sie nur allzu gern geküsst hätte. Sie löste sich aber aus seiner Umarmung, denn allzu versöhnlich wollte sie sich ihm jetzt doch noch nicht präsentieren. Für ihren Geschmack grinste er dafür, dass er ein schlechtes Gewissen haben musste, schon wieder ganz schön frech.
    Bendt streckte die Nase in die Luft und sog den verlockenden Duft des Apfelkuchens ein, den Anna in den Ofen geschoben hatte.
    »Ach herrje, mein Kuchen«, rief Anna alarmiert. Es war allerhöchste Zeit, zum Ofen zu eilen, wenn sie kein Brikett zu backen gedachte. Sie streifte sofort ihre Backhandschuhe über und beeilte sich, das heiße Blech auf die Arbeitsplatte hinüberzujonglieren.
    »Apropos Mord – wer ist überhaupt tot?«, erinnerte sie sich jetzt an den Grund für Bendts angekündigten Aufbruch und stieß ihn mit der Hüfte ein Stück zur Seite, weil er ihr im Weg stand.
    »Eine Frau ist in der Königstraße von einem Balkon gestürzt: Die Spurensicherung wird schon vor Ort sein. Teddy holt mich jeden Moment hier ab, damit wir rüberfahren können.«
    »In der Königstraße, mitten am Nachmittag?« Bei dem Gedanken an die schmale Einkaufsstraße, in der am Samstagnachmittag die Geschäfte geöffnet hatten und mit Sicherheit viele Leute unterwegs gewesen waren, lief Anna ein kalter Schauer über den Rücken. »Die muss den Passanten ja direkt vor die Füße gefallen sein.«
    »Ist sie wohl auch«, bestätigte Bendt. »Wenn ich das richtig verstanden habe, dann liegt das Haus, von dem die Frau gestürzt ist, ganz in der Nähe vom Kohlmarkt. Stell dir vor, du hättest dir auf dem Weihnachtsmarkt gerade noch eine Bratwurst gekauft und läufst fröhlich kauend die Königstraße runter, und dann klatscht vor dir jemand aufs Pflaster.«
    »Hör bitte auf!« Anna schüttelte sich angesichts der Bilder, die sich gerade vor ihrem inneren Auge abspielten, und verzog angewidert das Gesicht, zumal Bendt sich scheinbar gänzlich ungerührt einen Keks in den Mund schob. »Ich mag mir das gar nicht ausmalen, mit Emily unterwegs zu sein – und. …«
    »Da hätte wirklich ernsthaft jemand zu Schaden kommen können«, sagte Bendt. »Also noch jemand außer ihr.«
    »Schrecklich.« Anna versuchte die Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sie holte die Sahneschüssel und das Rührgerät aus dem Schrank und kramte dann den Vanillezucker aus dem Vorratsschrank hervor. »Und – von wem wurde sie vom Balkon geworfen? Von ihrem Mann, stimmt’s?«
    »Typisch! Bei dir war es natürlich gleich mal wieder der böse Ehemann und im Zweifel eine Beziehungstat.«
    »Stimmt ja auch oft. Woran denkst du denn spontan, wenn eine Frau vom Balkon gestoßen wird?« Anna streifte Bendt mit einem ironischen Seitenblick. »An einen Mafiamord oder einen Bandenkrieg der Hells Angels vielleicht? Kommt ja in der Lübecker Innenstadt gerade in dieser Form total häufig vor.«
    »Nee, ich denke vor allem mal – anders
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