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Schneesturm und Mandelduft

Schneesturm und Mandelduft

Titel: Schneesturm und Mandelduft
Autoren: Camilla Läckberg
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Miranda. »Ich begreife ganz einfach nicht, wie das geschehen konnte! Wie kann jemand so etwas Schreckliches tun?«
    Martin reichte ihr verlegen ein Taschentuch, das er in einem Behälter auf dem Schreibtisch gefunden hatte. Mit weinenden Frauen hatte er noch nie etwas anfangen können. Er räusperte sich.
    »Soweit ich verstanden habe, war Ihr Großvater nicht ganz zufrieden mit der Art und Weise, wie Sie Ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten führten.« Er hörte selbst, wie gestelzt das klang.
    »Großvater war immer sehr großzügig zu seinen Kindern und Enkeln«, schluchzte sie. »Er hat mir das Startkapital für meine Design-Agentur geliehen, und wenn ich nur etwas mehr Zeit gehabt hätte … und vielleicht ein kleines bisschen mehr Kapital, dann hätte ich es geschafft, das weiß ich. Aber ich hatte die ganze Zeit so ein verflixtes Pech, und die Kunden haben meine Sachen nicht richtig entdeckt und …« Sie schluchzte wieder auf und beendete den Satz nicht.
    »Ihr Großvater hat Ihnen also Geld geliehen. Das ist jetzt aufgebraucht, und Sie wollten ihn um mehr bitten? Habe ich das richtig verstanden?«
    Miranda nickte. »Ja, ich hätte nur etwa eine Million als Zuschuss gebraucht, das hätte mir die Zeit gegeben, die ich gebraucht hätte, um den Sprung zu schaffen. Die Modebranche ist ein hartes Geschäft, da muss man sich trauen, alles auf eine Karte zu setzen, um erfolgreich zu sein!« Sie warf den Kopf in den Nacken, ihre Unterlippe hörte auf zu beben.
    »Sie wollten Ihren Großvater um eine Million bitten?«
    »Ja.« Wieder diese trotzige Kopfbewegung. »Für ihn ist das gar nichts. Können Sie sich vorstellen, wie viel der Alte auf der Bank hat?«
    Sie verdrehte die Augen, schien dann aber zu merken, wie unangebracht ihr Verhalten war, und ihre Lippe fing wieder an zu beben.
    »Gefragt haben Sie ihn demnach noch nicht?« Martin blickte jetzt mit viel weniger Sympathie auf die Krokodilstränen, die über ihre Wangen rannen.
    »Nein, nein!«, beteuerte sie und beugte sich zum Schreibtisch vor. »Ich wollte es irgendwann am Wochenende machen, hatte aber noch keine Zeit dazu.«
    »Und die anderen in der Familie?«
    »Ja? Was ist mit denen?«
    »Ruben schien ja auch ihnen gegenüber eine Reihe von Kritikpunkten zu haben. Gibt es einen, der Ihrer Meinung nach etwas heftiger hätte reagieren können als …«
    Miranda unterbrach ihn. Ihre Augen funkelten zornig.
    »Glauben Sie wirklich, dass ich jemanden aus meiner eigenen Familie eines Mordes bezichtigen würde? Glauben Sie das? Hm?!«
    »Ich wollte doch nur wissen, ob einer von ihnen vielleicht heftiger reagiert hätte als der Rest der Familie.«
    »Und das soll nicht dasselbe sein, wie mich zu fragen, wen von ihnen ich als Großvaters Mörder verdächtige?«, erwiderte Miranda kühl.
    Martin musste ihr innerlich recht geben. Auf einmal überkam ihn eine unheimliche Müdigkeit. Er hatte mehrere Wochen lang gegrübelt, ob er mit Lisette hierherkommen sollte, und ja, man konnte ohne weiteres sagen, dass alles hundert Mal schlimmer geworden war, als er hatte ahnen können. Er blickte auf die Uhr. Es war kurz nach elf, und er sagte: »Ich glaube, wir belassen es dabei. Es ist sehr spät. Wir machen morgen weiter.«
    Ein Ausdruck der Erleichterung glitt über Mirandas Gesicht. Dann nickte sie kurz und stand auf. Martin folgte ihr zu den anderen in die Bibliothek. Die Stimmung dort war so gedrückt, dass er den Eindruck hatte, gegen eine Wand zu laufen.
    »Für heute Abend war es das erst einmal mit den Befragungen. Wir sind alle sehr müde, und ich denke, es hat mehr Sinn, morgen früh weiterzumachen, wenn wir ausgeruhter sind.«
    Keiner antwortete, aber alle wirkten erleichtert.
    »Willst du einen Cognac?« Lisette tauchte neben Martin auf und stupste ihn fragend an. Sein erster Reflex war, nein zu sagen, er war ja jetzt praktisch im Dienst. Aber die Müdigkeit und die Last der Verantwortung forderten ihren Tribut, also nickte er und ließ sich in den nächsten Sessel sinken. Draußen wütete weiterhin das Schneegestöber. Am anderen Ende des Hauses peitschte ein Zweig gegen ein Fenster.
    »Können wir wirklich nicht aufs Festland?« Vivis Stimme bebte, und ihre Hand zitterte, als sie sich wieder an den Hals fasste, wo ihre Kette gewesen war.
    »Du hast doch gehört, was sie gesagt haben! Es geht nicht!«, rief Gustav ein wenig zu schrill, und er wiederholte etwas gedämpfter: »Es geht nicht, Vivi. Wir müssen sehen, wie es morgen ausschaut. Dann ist das
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