Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneesturm und Mandelduft

Schneesturm und Mandelduft

Titel: Schneesturm und Mandelduft
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
Schlimmste vielleicht vorbei, und wir können irgendwie rüberfahren.«
    »Darauf würde ich mich nicht verlassen«, sagte Harald. »Im Wetterbericht heißt es, dass der Sturm bis Sonntag dauern wird. Wir werden also brav hier sitzen und warten müssen.«
    »Aber ich kann doch nicht zwei Tage hierbleiben … zusammen mit einer Leiche!« Wieder Vivi, und alle Blicke waren nun auf sie gerichtet.
    »Und was schlägst du stattdessen vor?! Dass wir über das Eis nach Fjällbacka fliegen?«, brüllte Harald. Gustav fuhr hoch und legte den Arm um seine Frau.
    »So redest du nicht mit Vivi. Sie steht unter Schock, das siehst du doch … Wir stehen alle unter Schock …«
    Harald schnaubte nur, und anstatt zu antworten, nahm er einen kräftigen Schluck Cognac.
    Eine dünne Stimme meldete sich aus dem Sessel am Fenster.
    »Ihr streitet einfach weiter wie immer. Keiner redet darüber, dass Großvater tot ist. Er ist tot! Kapiert ihr das nicht? Aber das scheint niemanden zu kümmern. Hauptsache, ihr könnt euch weiterzanken. Über Kleinkram! Und über Geld! Großvater hat sich für euch alle geschämt, und ich kann ihn verstehen!«
    Matte schniefte und wischte sich mit dem Hemdsärmel über die Augen.
    »Hört euch den an!«, höhnte Bernard. Er lehnte in einer Ecke des Sofas und schwenkte sein Cognacglas in der Hand. »Großvaters Liebling. Stets bereit wie ein Schoßhund seinen unendlichen Geschichten zuzuhören. Sogar bei diesem Gedöns mit der Sherlock-Holmes-Gesellschaft hast du einen auf begeistert gemacht. Und sein Geld hast du auch nicht zurückgewiesen.«
    »Bernard …«, sagte Lisette flehend, aber ihr Cousin achtete nicht auf sie.
    »Du hast ja die Wohnung in der Stadt bekommen, als du zu studieren angefangen hast. Was ist die wert? Drei Millionen? Vier?«
    »Ich habe ihn um nichts gebeten!«, erwiderte Matte und funkelte Bernard wütend an. »Im Gegensatz zu euch bin ich ihm nicht nachgelaufen und hab ihn zu jeder Unzeit angebettelt. Die Wohnung gehörte weiterhin Großvater, und ich durfte darin wohnen, solange ich studierte, aber wir hatten abgemacht, dass ich mir nach dem Abschluss etwas Eigenes suche. Ich wollte es nicht anders. Und das wusste Großvater!«
    Er wischte sich wieder mit dem Hemdsärmel über die Augen und drehte sich dann zum Fenster um, offenbar waren ihm seine Tränen peinlich.
    »Matte, wir wissen, wie nah ihr euch standet, du und Großvater. Und es tut uns leid. Wir sind nur ein wenig … unter Schock … wie Onkel Gustav schon sagte.« Britten setzte sich auf die Lehne von Mattes Sessel und strich ihm vorsichtig über den Arm. Er ließ sie gewähren, starrte aber weiterhin in die Winternacht.
    »Na, wir sollten uns wohl besser hinlegen«, sagte Harald und stand auf. »Bevor noch Dinge gesagt werden, die wir morgen bereuen.«
    Die anderen stimmten ihm murmelnd zu, und der allgemeine Aufbruch erfolgte. Nur Vivi blieb noch in der Bibliothek.
    »Unser Zimmer ist im ersten Stock«, sagte Lisette und zog Martin leicht am Arm. »Nimm deine Tasche mit rauf, meine ist schon oben.«
    Er folgte ihr mit der Tasche über die lange Treppe hinauf. Aber obwohl die Betten wunderbar bequem waren, lag er lange wach und lauschte Lisettes tiefen Atemzügen neben sich. Draußen wütete der Sturm schlimmer denn je. Martin fragte sich, was der morgige Tag bringen würde.
    Es war eine Gewohnheit, die sie schon als junges Mädchen gehabt hatte. Nach der Perlenkette ihrer Mutter zu greifen, wenn sie nervös wurde. Und das kam ziemlich oft vor im Laufe der Jahre. »Viveca hat schwache Nerven«, hatte sie ihre Mutter oftmals in ihrer Kindheit sagen hören, und zum Schluss wurde daraus eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Anfangs dachte sie, dass ihre Eltern das nur sagten, um die üblichen Gefühlsausbrüche eines Kindes und später einer Jugendlichen zu verteidigen. Aber mit der Zeit hatte sich diese Bemerkung wie eine schmutzige Haut um sie gelegt. Ihr Umfeld behandelte sie wie eine Nervenkranke, und dieser Vorstellung hatte sie sich irgendwie angepasst. Inzwischen fürchtete sie sich vor allem. Vor normalen Dingen wie Spinnen und Schlangen und dem Treibhauseffekt und der atomaren Aufrüstung im Nahen Osten. Aber auch vor subtilen Dingen im Alltag wie den Blicken von Menschen, denen sie begegnete, vor verborgenen Andeutungen, wenn man etwas zu ihr sagte, unsichtbaren Beleidigungen und unerwarteten Angriffen. Letztlich war die Welt zu einem bedrohlichen Ort geworden, und sie hatte die Hand so gut wie ständig an der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher