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Schneesturm und Mandelduft

Schneesturm und Mandelduft

Titel: Schneesturm und Mandelduft
Autoren: Camilla Läckberg
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rührte.
    »Gehen wir. Kommen Sie mit.« Er ging voran und hoffte, dass die anderen ihm folgten.
    Einer nach dem anderen trat in die Bibliothek und nahm dort Platz.
    Kerstin machte Feuer im Kamin, und kaum hatten sich alle gesetzt, kam Börje mit einer Flasche Cognac. Er holte die passenden Gläser aus einer großen Vitrine und schenkte großzügig ein.
    »Ist das eine gängige Vorgehensweise bei der Polizei in dieser Gegend? Dass man den Zeugen Alkohol verabreicht?«, fragte Gustav matt, leerte jedoch dankbar das Glas, das Börje ihm gereicht hatte, und hielt es ihm gleich wieder hin, um noch einen Schluck zu bekommen.
    »Nein, das kann man nicht behaupten«, antwortete Martin und lächelte schwach. »Aber wir befinden uns auch in einer außergewöhnlichen Situation. Da müssen wir uns behutsam vortasten.« Einen Augenblick lang wünschte er sich, dass Patrik Hedström, sein engster Kollege in der Polizeistation von Tanum, hier wäre. Er arbeitete noch nicht lange mit ihm zusammen, bewunderte ihn aber bereits sehr. Mit ihm an seiner Seite hätte er sich sicherer gefühlt. Patrik hätte bestimmt gewusst, was zu tun war. Aber Martin musste sich mit der Situation abfinden und alleine zurechtkommen. Nun galt es, Patrik nicht zu enttäuschen. Er musste einfach nur einen klaren Kopf behalten und sich Schritt für Schritt vortasten.
    »Da wir nicht zur Polizeistation fahren können, muss ich Ihre Zeugenaussagen hier aufnehmen. Ich werde einen nach dem anderen befragen, und ich setze voraus, dass Sie sich alle kooperativ verhalten, damit wir den Fall schnell aufklären können.« Er schaute jeden Einzelnen eindringlich an, und keiner schien irgendwelche Einwände zu haben.
    »Dann schlage ich vor, dass Sie den Anfang machen.« Martin nickte Harald zu.
    Die Hand mit dem Cognacglas zitterte. Kummervoll blickte Britten dem breiten Rücken ihres Mannes hinterher, als dieser durch die Tür verschwand. Sie machte sich Sorgen um Harald. Fragte sich, ob er dem Druck standhalten würde. Er wirkte so stark. Solide. Aber Britten wusste, das war nur Fassade. In ihrer langen Ehe hatte sie gelernt, dass ihr großer bulliger Mann eigentlich noch immer ein kleiner ängstlicher Junge war. Und dafür gab sie Ruben die Schuld. Er war zu hart gewesen. Hatte zu viel verlangt und erwartet, dass seine Söhne aus demselben Holz geschnitzt waren wie er. Aber keiner der beiden war das gewesen.
    Gustav sah wenigstens so charakterschwach aus, wie er war, und hatte deshalb weniger abbekommen. Harald hingegen hatte durch seine Größe immer stark und kräftig gewirkt, und niemand hatte je erkannt, wie schwach er tatsächlich war. Ja, sie vermutete, dass Ruben es eigentlich wusste, tief drinnen ahnte er es. Aber er hatte lieber die Augen davor verschlossen, und deshalb hasste sie ihn.
    Auf dem Posten, den er Harald gegeben hatte, war ihr Mann von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Und die Idee, Gustav und Harald zusammenarbeiten zu lassen … ja, die war so abstrus, dass sie sich gefragt hatte, ob Ruben wirklich noch ganz bei Trost gewesen war, als er den Vorschlag machte. Aber seine Söhne hatten natürlich sofort angebissen. Konnten es kaum erwarten, ihrem Vater zu beweisen, dass sie etwas taugten. All ihre Misserfolge wollten sie auf einen Schlag vergessen machen. Das war die Chance, jetzt würden sie den Respekt ihres Vaters zurückgewinnen, endlich, nach so vielen Jahren. Ja, vielleicht sogar seine Liebe, hatten sie sich wohl erkühnt zu denken, die beiden Brüder. Stattdessen war der Schuss nach hinten losgegangen. Sie hatte miterlebt, wie Harald von Tag zu Tag ergrauter aus dem Büro nach Hause zurückkehrte. Wie er immer mehr in sich zusammensank. Der Herzinfarkt vor einem Jahr kam nicht überraschend. Und kurz hatte sie damals sogar Hoffnung geschöpft. Harald hatte ja trotz allem überlebt, und sein Vater musste doch nun einsehen, dass sein Sohn mit der Aufgabe überfordert war. Aber nein. Ruben hatte einen Blumenstrauß ans Krankenbett geschickt und kurz darauf gefragt, wann Harald wieder einsatzbereit sei.
    »Was wird er deiner Meinung nach sagen?«, flüsterte Gustav Britten zu. »Glaubst du, dass er …?«
    »Ich weiß es nicht, Gustav«, erwiderte sie scharf. Das ständige Gejammer und die Duckmäuserei ihres Schwagers brachten sie zur Weißglut.
    »Ich hoffe wirklich, dass er nicht …« Wieder dieser klagende Ton, ein wenig zu hoch, und er wiederholte flüsternd: »Ich hoffe wirklich, dass er nicht …«
    »Hör jetzt auf!«
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