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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen
Autoren: Susanne Mischke
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Pöstchen finden. Annes Mutter war
erleichtert. Immerhin ging ihre Tochter auf die dreißig zu, da wurde es
allmählich höchste Zeit, für was auch immer.
    »Nichts«, lenkte Katie ein, »ich
dachte bloß, sowas gibt’s gar nicht mehr. Ich wäre auch gerne verlobt. Aber so
richtig, mit Ring und all dem Firlefanz...«
    »So, wirklich?«
    »Ja, aber dazu wird’s so rasch nicht
kommen. Mein Alter sitzt im Jail, und außerdem wollte ich sowieso Schluß
machen, er ist nämlich ‘ne echte Null.«
    »Sitzt... wo?«
    »Na, im Knast. Bloß wegen ‘nem
winzigen Deal. Acht Monate hat er gekriegt.«
    »Acht Monate? Meiner auch«, nickte
Anne zerstreut.
    »Waaas? Deiner sitzt auch?« rief Katie
ungläubig. Einige Köpfe drehten sich nach ihnen um.
    »Du lieber Himmel, nein!« fauchte
Anne. »Ich meine, mein Verlobter ist auch acht Monate weg. Aus beruflichen
Gründen.«
    »Hab’s kapiert. Konnte mir dich
sowieso nicht mit ‘nem Knacki vorstellen.« Sie kicherte erneut. »He, du bist ja
rot geworden, wie ein Herz-As.«
    »Wundert dich das?« Aber Katie war
schon einen Schritt weiter.
    »Was macht dein... wie heißt er denn?«
    Anne seufzte und begab sich daran,
Katies neugierige Fragen widerwillig zu beantworten. »Stefan. Er hat Graphik
und Design studiert und arbeitet für eine Werbeagentur. Die Agentur hat ihren
Hauptsitz in New York, und da macht er gerade so eine Art Praktikum.«
    Was sie dabei noch immer wurmte, war
die Tatsache, daß er ihr nicht angeboten hatte, mitzukommen. Sicher, ihr Vater
hätte das nie zugelassen, eine Leiterin der Personalabteilung kann nicht einfach
so verschwinden, wie es ihr paßt. Dennoch hätte Stefan sie fragen können, ihr
Stolz wäre dann nicht so verletzt gewesen.
    »Und das dauert acht Monate«, bohrte
Katie in der offenen Wunde.
    »Allerdings«, kam es knapp.
    Als Stefan vor einem Vierteljahr mit
diesem Praktikum ankam, ließ Anne zum ersten Mal ihrem angestauten Frust freien
Lauf. Seit Jahren ertrug sie zähneknirschend seine Alleingänge, die Segelturns
in der Karibik, die regelmäßigen Herrenausflüge nach Südtirol, diverse
Wochenenden zum Angeln in Frankreich oder sonstwo. Alles Vorwände für
hemmungslose Saufgelage und kindische Männerkameraderie. In einer flammenden
Anklagerede warf sie ihm seine sämtlichen Fehler und Untaten an den Kopf: Er
verbringe zuviel Zeit mit primitiven Freunden und blödsinnigen Comics, er
interessiere sich überhaupt nicht für Literatur, er sei ein sturer Autofahrer,
lasse immer den Klodeckel offen und im übrigen besitze er das sexuelle
Einfühlungsvermögen eines Trampeltieres. Am liebsten hätte sie ihn danach
sofort hinausgeworfen, aber das war nicht so einfach, denn die
Auseinandersetzung fand in seiner Wohnung statt. Also raffte sie eiligst ihre
bei ihm deponierten Besitztümer — einige Dessous und Blusen, Zahnbürste,
Parfum, eine angebrochene Packung Tampons und ihren Wok — nicht gerade viel
nach sieben Jahren — zusammen, und erklärte im Hinausgehen ihre Beziehung für
beendet.
    Stefan, den besonders das mit dem
Trampeltier schwer getroffen hatte, pfefferte Sekunden später den sündteuren
Alessi-Wasserkessel, ein Geburtstagsgeschenk von Anne, vom Balkon des sechsten
Stockwerks seines Schwabinger Apartments.
    Auf diesen furiosen Abgang folgte eine
große Stille, die zwei endlose Wochen dauerte, an deren Ende jedoch jener
unvergeßliche Abend mit dem Champagner und den streng riechenden Blumen stand:
Eine richtige Hochzeit stellte er ihr in Aussicht, mit allem Drum und Dran, was
immer ihr Vater bereit war zu bezahlen, sobald er wieder aus den Staaten zurück
sei...
    »Ach, die paar Monate sind ja schnell
‘rum, ihr heiratet ja dann«, platzte Katie tröstend in ihre Gedanken.
    Anne seufzte innerlich. Genau das
hatte sie zunächst auch angenommen. Sie arbeitete mehr denn je, damit die Zeit
schneller vergehen sollte. Doch ihre Telefongespräche mit Stefan, anfangs
farbige Höhepunkte in der beklemmenden Ode ihres kühlen, von fremder
Innenarchitektenhand voll durchgestylten Apartments, verkamen nach und nach zur
Pflichtübung. Sicher, Stefan war nicht der Typ für schwülstige
Liebeserklärungen, und Anne selbst schon gar nicht, aber zuletzt hatten ihre
Gespräche die Vertraulichkeit einer Verkehrsdurchsage mit anschließendem
Wetterbericht. Und wenn Anne ihm gar mit Details der Hochzeitsplanung kam,
brachte Stefan regelmäßig — etwas Abwegigeres fiel ihm wohl nicht ein — die
horrenden Telefongebühren aufs Tapet und
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