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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen
Autoren: Susanne Mischke
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nach einem Festmahl. Die Stewardeß powackelte vorbei, Anne ließ
sich nochmals Kaffee eingießen.
    »Sag mal...«, begann Anne zögernd,
»der Kerl da vorhin, in der Toilette...«
    »Ja, was ist mit dem?« gähnte Katie.
    »Was wollte der von dir?«
    »Woher soll ich das wissen? Vermutlich
das, was sie alle wollen.«
    »Aber der kannte dich doch, oder?«
    »Nee, wie kommst du denn darauf?«
    »Ich hatte so den Eindruck.«
    »Quatsch. Irgendein Perverser, der
Frauen in Klos anfällt. Aber der hat jetzt was dazugelernt.« Sie grinste
schadenfroh und drehte ihr Beutestück, die Goldkette, zwischen den Fingern.
»Ich kann mir gut vorstellen, wie der jetzt ohne Klamotten durch den Flughafen
wetzt. Das wird er den Bullen erst mal erklären müssen, hihi.«
    Anne hatte das bestimmte Gefühl, daß
Katie log. Aber jetzt, da die Sache ausgestanden war, konnte ihr das alles
herzlich egal sein. Vermutlich war diese Katie ein durchgebranntes kleines
Flittchen und der Typ ihr Zuhälter. Oder ein eifersüchtiger Liebhaber.
    »Ja«, stimmte Anne zu, »das wird einen
ziemlichen Aufruhr geben. Eigentlich schade, daß man nicht dabei sein...«, sie
schwieg, denn Katie hörte ihr nicht mehr zu. Sie atmete regelmäßig, ihre blauen
Lider flatterten, wie in einem lebhaften Traum, ihr Kopf sank langsam auf Annes
Schulter.
    Anne verfrachtete Katie auf die andere
Seite des Sitzes. Das Omelettegesicht teilte die Formulare des Immigration
Service aus, und Anne verbrachte eine halbe Stunde mit der Beantwortung überaus
subtiler Fragen, unter anderem nach: Geistesschwäche, Wahnsinn, gefährlichen
Seuchen (Schwindsucht, Syphilis, Aids und Aussatz), Rauschgiftkonsum und
Alkoholismus. Sie verneinte Fragen, ob sie der Bettelei, der Prostitution oder
der Polygamie fröne, überlegte, ob sie sich an perversen Sexpraktiken erfreuen
könne, versicherte, daß sie weder mit Rauschgift zu handeln pflege, noch
Kommunistin, Anarchistin oder Analphabetin sei sowie keinerlei Absichten hege,
in den Vereinigten Staaten von Amerika ein terroristisches Gewaltverbrechen zu
verüben. Unter anderen Umständen hätte Anne das Formular für einen gelungenen
Witz gehalten, so aber setzte sie folgsam ihre Kreuzchen. Hin und wieder
schnarchte Katie leise, hörte aber sofort damit auf, wenn Anne sie anstieß.
Dafür knirschte sie dann mit den Zähnen. Zwischendurch brabbelte sie
Undeutliches, nur einmal verstand Anne so etwas wie: »Rudi, du Schwein.«
    Erst kurz vor dem Landeanflug wachte
Katie auf, rekelte sich ungeniert, als läge sie zu Hause im Bett, erhob sich
steif und ging nach vorn. Sie verbrachte einige Zeit in der Toilette, dann zog
sie sich auf ihren ursprünglichen Platz zurück, um zu rauchen.
    Als die Maschine landete, war es
eigentlich Nachmittag, aber trotzdem war es erst zehn Uhr am Morgen. Anne
stellte ihre Schweizer Uhr auf die amerikanischen Verhältnisse ein. Sie traf
Katie erst wieder in der Wartehalle vor den Schaltern des Immmigration Service.
    »Hallo«, lächelte Katie freundlich.
    »Hallo.«
    »Ich würde dir gern meine Nummer geben,
aber ich weiß noch nicht, wo ich in den ersten Tagen sein werde. Die Leute
ziehen hier dauernd um, man kann sich da auf nichts verlassen.
    »Nicht so tragisch.« Anne lächelte
falsch. Sicher will sie jetzt meine Adresse bei Stefan. Am Ende taucht sie dann
noch auf und will bei uns wohnen, wenn sie ihren Bruder nicht findet, nein, das
kommt gar nicht in Frage.
    »Ich meine nur«, hakte Katie nach,
»falls was schiefgehen sollte, mit deinem Verlobten, man kann ja nie wissen.
Sonst kennst du doch niemanden hier, oder?«
    »Nein, niemanden.«
    »Paß auf, wenn was sein sollte, du
triffst mich sicher im Crazy Cactus. Das ist eine Art Billard Saloon in der
Lower East Side. Soll ich dir das aufschreiben?«
    »Kann ich mir merken. Danke.«
    Eigenartig, so viel Fürsorge von einer,
die selbst nicht mal genau wußte, wo sie die kommende Nacht schlafen würde.
Anne spielte mit dem Gedanken, ihr doch noch Stefans Adresse zu geben, aber
Katie war bereits am Gehen.
    »Vielleicht treffen wir uns mal im
Crazy Cactus. Ich könnte dir ein bißchen die Gegend zeigen, wenn du willst. Ich
weiß was so läuft in New York, und wo was abgeht.«
    »Danke, ich werde mal sehen«, log Anne
scheinheilig. Sie konnte sich diese Katie nur schwer als Begleitung vorstellen.
Nein, ihre Begegnung war hier und jetzt beendet, unwiderruflich.
    »Okay. Ich geh’ dann. Und laß dich von
den Bescheuerten da nicht auf die Palme bringen, sonst hängst du
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