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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen
Autoren: Susanne Mischke
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hochinteressanten Artikel über Sado-Maso-Beziehungen, das Leben war
herrlich. Nur noch ein paar Stunden. Zum hundertsten Mal ging Anne in Gedanken
das Wiedersehen mit Stefan durch. Er wird mich in die Arme schließen, es wird
genau so sein wie früher, ein langer, leidenschaftlicher Kuß und...
    »Hi.«
    Eine rote Haarsträhne peitschte Annes
Wange, und eine Gestalt plumpste in den freien Sitz neben ihr. Anne sandte
einen anklagenden Blick zum Himmel.
    Sie trug noch immer ihre schwarze Lederjacke,
hatte die Augenlider blau verspachtelt und ihre Lippen schrillrosa geschminkt.
Sie bissen sich mit der Haarfarbe. Eine aufdringliche Wolke billigen Parfums
machte sich breit. Jetzt gackerte sie auch schon drauflos: »He, was für ein
Zufall. Ich hab’ erst jetzt bemerkt, daß du auch im Flugzeug bist.«
    Annes Begeisterung hielt sich in
Grenzen. Eilig klappte sie die Zeitschrift zu.
    »Übrigens, ich bin Katie. Katie
Shannahan.« Sie strahlte wie ein Kind, dem eine Überraschung gelungen war.
    »Anne Schwartz. Mit >tz<.«
    Ich hab’ mich noch gar nicht bedankt.
Du hast mir das Leben gerettet, ehrlich. Es war toll, wie du dem Kerl eins über
die Rübe...«
    »Schscht!« machte Anne. »Warum gehst
du nicht ins Cockpit und erzählst es über Lautsprecher?«
    »Stimmt. Tschuldigung.« Sie fuhr im
Flüsterton fort. »Trotzdem, der hätte mich vermutlich glatt erledigt. Ich
schulde dir was.«
    »Ein Mineralwasser«, gab Anne brummig
zurück.
    »Das habe ich ausgetrunken und
verschwinden lassen. Ist dir doch sicher recht?«
    Anne nickte stumm.
    »Du bist ganz okay. Würde man gar
nicht vermuten...« Sie taxierte Anne forschend von der Seite.
    »Was soll denn das heißen?« Anne fuhr
gereizt auf.
    »Naja, nach den Klamotten und so...«
    »Es kann nicht jeder so modisch
gekleidet sein wie du. Wo hast du nur diese extravaganten Leggings her?«
    »Woolworth, für neunfünfundneunzig.«
Katie war absolut taub für die Ironie in Annes Stimme.
    Die Stewardeß kam vorbei und fragte
Katie, ob sie Tee oder Kaffee wünsche. Mißbilligend nahm Anne zur Kenntnis, wie
Katie ihre Bestellung aufgab, ganz so, als wäre ihr Sitzplatz von nun an hier,
neben ihr. Anne starrte verärgert vor sich hin.
    »He, was guckst du dauernd auf meine
Schuhe?«
    »Wie bitte?«
    »Meine Schuhe. Du guckst sie dauernd
an.«
    »So? Entschuldige bitte.«
    »Ja, ich weiß, es sind nicht mehr die
neuesten. Muß mir drüben welche besorgen, die sind da viel billiger.«
    »Verzeihung, ich wollte wirklich nicht
auf deine Schuhe starren. Es war mir nicht bewußt.« Es war dasselbe peinliche
Gefühl, das sich einstellt, wenn man gedankenlos einen Bettler in der
Fußgängerzone mustert und dabei von ihm ertappt wird.
    »Weißt du, ich... ich bin nämlich
Schuhverkäuferin.« Was war das nun wieder? Seit wann belog sie ihre Mitmenschen
so grundlos und dummdreist? Dieses Mädchen brachte sie dazu, Dinge zu tun, die
sie sonst nie tun würde: Erst einen Mann niedergeschlagen, dann Schmiere
gestanden bei der Schändung eines Wehrlosen, jetzt gelogen, daß sich die Balken
biegen, bravo Anne, weiter so.
    Katie warf ihr einen sonderbaren Blick
zu und sagte: »Soso.«
    Anne fühlte sich so unwohl, als stünde
sie mit einer Plastiktüte im Bioladen. Zum Glück wechselte Katie jetzt das
Thema: »Was machst du drüben? Ferien?«
    »So ähnlich. Ich besuche jemanden.«
    »Deinen Macker?« Sie feixte anzüglich.
    »Meinen Verlobten«, sagte Anne steif.
    »Verlobt? Laß sehen!«
    »Was?« fragte Anne verwirrt.
    »Den Ring natürlich.«
    »Ich... wir haben keine.«
    Stefan war nicht fürs Konventionelle.
Er war überhaupt nicht fürs Heiraten. Wenn es einen Freund oder Bekannten von
ihm »traf«, wie er es nannte, hatte er dafür nur Sarkasmus übrig. Anne mußte
zusehen, wie ihre Freundinnen, eine nach der anderen, den sicheren Hafen der
Ehe ansteuerten. Sie kaufte ihnen teure Hochzeitsgeschenke und nahm an
zahllosen Polterabenden teil, wo sie verbissen mit Porzellan um sich warf.
Danach war ihr meist wohler, und sie schöpfte neue Zuversicht. Vielleicht
feilte Stefan ja nur noch an der Formulierung.
    »Verlobt«, kicherte Katie nun. »Wie
niedlich!«
    »Was ist daran niedlich ?«
    Auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Eltern
hatte es sogar eine offizielle Verlobungsfeier gegeben. Annes Vater war
einigermaßen zufrieden mit ihrer Wahl. Ein Schwiegersohn, nicht reich, aber mit
Ehrgeiz und guten Ideen, für den ließe sich innerhalb eines weltweit
operierenden Pharmakonzerns sicher ein
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