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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest
Autoren: Stefanie Ruehle
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die Lippen.
    Jetzt wusste ich endgültig nicht mehr, wohin schauen. Vor mir die XXL-Schlüpfer der Mariechen, neben mir Kussmaul-Heinzi – und von Steve fehlte jede Spur. Seufzend schnappte ich mir den Sekt, murmelte so etwas wie »Küssen im Dienst verboten« und kippte das Glas in einem Satz hinunter.
    »Was zum Henker soll ich über diesen Abend schreiben?«, fuhr es mir durch den Kopf, während Heinzi beleidigt die Mundwinkel nach unten zog. Ich hatte zwar schon beim Boten gekündigt. Aber wenn ich auch nur annähernd das wiedergab, was hier stattfand, rollte auf meinen Verlag ein regelrechter Verleumdungsklagen-Tsunami zu – und das wollte ich dann auch wieder nicht.
    Zum Glück tauchte in dem Moment Steve mit zwei verdächtig wirkenden Wassergläsern wieder auf und musterte mich samt Heinzi skeptisch. »Sag mal, geht da was mit Meister Proper?«, raunte er mir ins Ohr, während er mir das harmlos aussehende Glas in die Hand drückte. Fies grinsend hielt er mir sein Wasserglas zum Anstoßen entgegen.
    Ich zeigte ihm einen Vogel.
    Die Rekordmariechen lüpften derweil weiter lustig, wenn auch schon etwas weniger enthusiastisch als am Anfang, die Beine.
    »Wenn du unbedingt ein Bild davon machen musst, solltest du besser auf einen Stuhl steigen. Für alles, was du von hier aus knipst, lege ich jetzt schon mein Veto ein«, erklärte ich.
    »Keine Sorge«, meinte Steve. »Ich sortiere schon vorher alles aus, was nicht jugend- bzw. altersfrei ist.« Er lachte.
    Inzwischen zeigten immer mehr Mariechen deutliche Ermüdungserscheinungen. Keine Minute später war der Spuk dann auch vorbei und alle Problemzonen blieben am Boden.
    Heinzi, der selbst ernannte Redner und Retter des Rahmenprogramms, sprang wieder, dieses Mal nicht ganz so leichtfüßig, auf die Bühne, allerdings bremste ihn seine MöchtegernAthletenbrust böse aus. Doch als Mann von Welt rappelte er sich nach seiner peinlichen Bauchlandung blitzschnell wieder auf, ergriff das Mikrofon und schnaufte, erneut in rotes Licht getaucht: »Bidde alle ruhig bleiben. Älles under Kontrolle.«
    Dann bedankte er sich für alles Mögliche und Unmögliche und lobte die vorangegangene – wenn auch nicht gerade weltrekordgefährdende – Darbietung.
    Steve, ganz Profi, hielt diesen denkwürdigen Moment aus doppelkinnfreundlicher Froschperspektive samt aufgeplatztem Hemd und rotem Heiligenschein für die Ewigkeit fest.
    Heinzi war mittlerweile zur Verleihung diverser obskurer Faschingsorden übergegangen. Jeder und jede Gekürte musste unter frenetischem Applaus vor Heinzi das Knie beugen und bekam ein Salzteiganhängerlein umgehängt. Daraufhin durfte er oder sie einen Schnaps trinken, einen Schüttelreim von sich geben und sich zu den anderen Würdenträgern begeben. Steve und ich amüsierten uns prächtig.
    Doch leider hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und das war in dem Fall Heinzi. Gerade hatte er dem armen, inzwischen reichlich alkoholisierten Herrn Scheiffele ein Verslein abgenötigt, da tönte es schon in unsere Richtung: »Nadirlich möchtennn wir an diieser Schdelle auch diejenigennn niicht vergessennnn, die unseren Ahbend fir die Ewigkeit feschdhalten.«
    Steve und mir schwante nichts Gutes. Entsetzt wechselten wir einen panischen Blick.
    »Und genau so, wie siie dafir sorgennn, dass ahndere ahn unserer Freudeh teilhabennn könnennn, lassed wiir nun siie darahn teilhabennn. Ein härzlicher Applaus für die Dame und den Herrnnn dehr Presse.«
    Während sich Heinzi die Hände wund klatschte, schoss mir das Blut in die Birne. Steves Kinnlade hing derweil auf dem Boden.
    »Was machen wir denn jetzt?«, zischte er mir zu, während das Publikum »Prässä, Prässä, Prässä« skandierte. »Bisher war’s ja noch halbwegs lustig, aber jetzt geht’s ans Eingemachte.«
    Doch noch bevor ich ihm etwas antworten konnte, fühlte ich mich von hinten gepackt und wurde auf die Bühne gehievt.
    Ich hatte Heinzi einen Moment lang aus den Augen gelassen, was er schamlos ausgenutzt hatte. Da stand ich nun panisch auf der Bühne, während Steve noch immer festen Boden unter den Füßen hatte und mich hämisch angrinste.
    Ich beugte mich zu ihm hinunter und packte ihn mit beiden Händen am Hemdkragen: »Wenn du mich jetzt im Stich lässt, Rotkäppchen, sag ich dem Chefredakteur, dass du seit längerem was mit dem Verlagsleiter laufen hast und deshalb den Job bekommen sollst. Was soll ich sagen: Unser Chefredakteur hasst Schwule. Er wird auf die Barrikaden gehen. Und
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