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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest
Autoren: Stefanie Ruehle
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verabschiedete ich mich von der renommierten, aber brotlosen Literatur- und Theaterkritik und nahm erst einmal die Festanstellung beim Stuttgarter Boten an. Seit zwei Jahren hüpfte ich nun schon mäßig gut bezahlt zwischen Kleintierzüchtervereinen, Blasmusikkapellen und eisernen Hochzeiten hin und her. Der heutige Termin sollte einer meiner Letzten als Lokaldepp vom Dienst sein: Ich hatte endlich einen hervorragend bezahlten PR-Job bei einer Agentur im Stuttgarter Westen ergattert und konnte den Lokaljournalismus ab nächstem Monat einem neuen armen Würstchen überlassen.
    Mit diesem tröstlichen Gedanken im Hinterkopf wappnete ich mich für meinen bevorstehenden Galeerensträflingsjob. Dabei wusste ich nicht, wovor mir mehr graute – vor der Faschingsparty oder dem Cancan-Wettbewerb.
    »Ich geh dann mal«, erklärte ich meinem Chef.
    »Ja, ja, viel Schbaß dann au«, entgegnete Jo abgelenkt. Es war höchste Zeit für seinen obligatorischen Fünfuhrschluck aus dem Flachmann, den er im Hängeregister ordentlich zwischen »E« und »G« aufbewahrte.
    »Zard besaidet derf des Birschle bei dem Anblick, der da auf en warded, ned sei. I wird’s ned mache wella«, sinnierte er. »Abr wenn er des packt, na kenned mir iber a schlächt bezahlde Feschdanschdellung nachdenke«, erklärte er gackernd, schnappte sein Fläschchen und winkte mich aus dem Büro.
    Er würde mir mit seiner Schnapsfahne, seinen miesen Witzen, seiner Inkompetenz und seinen unbegründeten Chefallüren bei meinem neuen Job sicher jeden Tag so sehr fehlen wie ein Buckel. Aber im Moment blieb mir nichts anderes übrig, als mich zur Sporthalle des TSV Stuttgart-Ost zu quälen und auf den angekündigten Fischkopf zu warten.

    Vor Ort wäre ich am liebsten gleich wieder schreiend davongelaufen: In den fünf Minuten, die ich hier stand, hatte ich schon eine vielstimmig gegrölte Polonäse Pekinese und zweimal hintereinander »Die Hände zum Himmel« mitanhören müssen. Warum fand dieser Schwachsinn eigentlich drei Wochen nach Fasching statt? Ich war schon sehr gespannt auf die Erklärung – falls da drinnen noch irgendjemand nüchtern genug war, um mit mir darüber reden zu können. Ich beschloss, noch genau zwei Minuten zu warten. Dann würde ich abhauen und die Schuld diesem Hamburger Frischling in die Schuhe schieben. Schließlich wäre die Story ohne Fotos nicht mal die halbe Miete.
    Leider tippte mir da von hinten jemand auf die Schulter. Mist. Ich drehte mich mies gelaunt um. Und da stand er dann: der deutlich gereifte, offensichtlich aber nach wie vor auf Krawall gebürstete Pumuckl, inklusive rotgoldener Locken, die sich lässig zerzaust bis auf seine Schultern kringelten – es lebe der Anachronismus.
    Ich staunte ihn sprachlos an. Schließlich trug er fast dieselbe Frisur und Haarfarbe wie ich! Allerdings hatte sie mich sicher deutlich mehr gekostet. Der Lockige musterte mich seinerseits misstrauisch und fragte: »Bist du Sabine?«
    Ich nickte stumm. Wahnsinn. Seine Haare waren echt! Außer der internationalen Mähne hatte ich jetzt auch noch einen rotflaumigen Dreitagebart entdeckt. Und kein Mensch färbte sich schließlich den Bart. Oder?
    Pumuckl räusperte sich und musterte mich ungnädig aus dunkelblauen, leicht schräg stehenden Kaukasen-Piratenaugen unter erstaunlich dichten, dunklen diabolischen Augenbrauen.
    Herrjeh!
    Dabei hatte ich immer gedacht, Rothaarige hätten weder Augenbrauen noch Wimpern! Der Kerl hier war allerdings mit beidem gesegnet. Und die Wirkung war verheerend. Zumal das Wunderwesen eine schwarze Lederjacke über einem löchrigen weißen T-Shirt trug. Er war ein echter Weasley! Ein irisch anmutender Cola-Light-Mann, ein James Dean, der Seite an Seite mit Harry Potter kämpfte.
    »Moin. Ich bin Steve«, knurrte mir dieses farbenprächtige Wunderwesen, dessen blöder Name wenigstens etwas für ausgleichende Gerechtigkeit sorgte, schließlich aus zusammengebissenen Zähnen entgegen.
    Sprechen konnte er auch noch. Im Gegensatz zu mir. »Mpf«, kriegte ich nur noch raus.
    Zum Glück war er so generös, dass er mir das artikulierte Sprechen abnahm. »Also, Sabine ... Dachte ich mir doch, dass du das sein musst. Schließlich bist du die Einzige weit und breit, die nicht als Funkenmariedings, sexy Hexy oder superlustiger Clown verkleidet ist. Gehen wir rein und bringen es hinter uns, okay?« Beim Reingehen fragte er mich noch: »Warum findet dieser Mist eigentlich drei Wochen nach dem Karneval statt?«
    Ich starrte ihn nach
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