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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest
Autoren: Stefanie Ruehle
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Grunde nur auf die Realität und ihre weitere Laufbahn vorbereitete: das fachgerechte Aufschlitzen, Vierteilen, Häuten und Zerlegen von Touristen. Die entscheidende Frage war: Hatte der bräsige Kommissar Wallander alle fortgeschnittenen Schnitzkünstler und sonstigen Mördervorlagen erwischt? Und wann ließ man hierzulande die fiesesten Gewaltverbrecher wieder laufen?
    Mir wurde ganz schlecht. Wo sollten diese irren Killer nach ihrer Freilassung denn hin? Die fanden in den schwedischen Städten mit den überteuerten Mieten doch nie eine Wohnung! Stattdessen würden sie sich natürlich wohin begeben? Geradewegs hierher. Auf meine Landstraße. Die war für all die blaugelben Schweden-Hannibal-Lecters, die bereits in der dritten Klasse als Hobby »Frauen häuten« angaben, optimal. Jetzt wurde mir noch schlechter. Natürlich hatte der Kofferknackstein nicht zufällig einsam hier herumgelegen. Er war fein säuberlich platziert worden. Und während ich mich hier mit dem blöden Trolley abmühte, konnte mich ein schwedischer Ripper-Verschnitt ganz in Ruhe von hinten erstechen, erschießen, erwürgen oder vierteilen – und mir anschließend Insekten in den Hals stopfen. Und ich hasste Insekten!
    Während ich mir überlegte, wie viel Hilferufe hier nützten, raschelte etwas im Wald. War das jetzt der Regen, oder was? Ich blieb mucksmäuschenstill stehen und starrte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Nein. Der Regen war das nicht. Da raschelte definitiv etwas anderes. Dieses andere hatte sich jetzt auch noch bewegt und weit entfernt im waldigen Gebüsch sah ich kurz etwas aufblitzen. Was hatte ich mit meinem Gebrüll nur hierhergelockt? Möglicherweise tödliche Werwolf-Wichtel!
    »Astrid, Michel, bitte helft mir! Ich hab’s doch nicht so gemeint«, flüsterte ich vor mich hin. »Ich will auch gerne zugeben, dass Schweden gaaanz toll ist. Und ich werde niiie mehr rauchen und auch keinen Tropfen Alkohol mehr trinken. Ich werde jeden zweiten Sonntag meine Eltern besuchen. Jeden dritten Sonntag. Sicher jeden vierten! Ich will immer gleich den Abwasch machen. Uuuund bei der Kehrwoche den Mülleimer auswaschen. Das ist doch ein Angebot!«
    Es schien nur leider nicht auszureichen. Denn das Rascheln wurde lauter und die Bewegungen in meine Richtung schneller.
    »Okay. Ich fahre alle vierzehn Tage zu meinen Eltern. Deal?«, wollte ich schnell wissen, bekam aber vom raschelnden Wald keine Antwort.
    Ich überlegte kurz, ob Davonrennen noch etwas bringen oder nur mein Leiden verlängern würde. Und dann hörte ich aus einer ganz anderen Richtung das schönste Geräusch der Welt: Ein Motor dröhnte immer lauter in meinem Rücken!
    Das Bewegen und Rascheln hatte schlagartig aufgehört. Dafür stand eine halbe Minute später ein Bus vor mir. Ein echter Bus, auf dessen Motorhaube die Aufschrift »Reisen mit Reißer-Reisen sind ein echter Reißer« prangte. Ich war wohl die erste Person der Welt, die dem Texter mit dem verbalen Burnout für seine lauwarmen Worte die Füße küssen würde.
    Da ich mitten auf der Straße stand, blieb dem Reißer nichts anderes übrig, als mit dem wunderbar bustypischen Quietschen und anschließendem Grunzseufzer zu halten, um mich aufzureißen. Nie hatte ich etwas Schöneres gehört und gesehen.
    Die Beifahrertür öffnete sich und ein hübscher blonder Nichtschwede mit strahlend blauen Augen fragte mich in herrlichem Ostfriesendialekt besorgt: »May I help you, are you okay?«
    Am liebsten wäre ich dem Sprachgenie um den Hals gefallen. Noch nie hatte ich einen Menschen so gern gesehen!
    »Ja, Sie dürfen mir helfen. Und wie Sie dürfen!«, jauchzte ich. »Bitte, können Sie mich irgendwohin mitnehmen? Nur weg von dieser Straße, von mir aus auch dahin, wo der Pfeffer wächst. Nur mein Handy sollte wieder funktionieren ...«
    »Kein Problem!« Blondie, der bei näherer Betrachtung eine interessante Mischung aus Otto, Terence Hill und Daniel Craig darstellte, grinste mich an und musterte meinen Matschbomben-Trolley. »Dann mal rein in die gute Stube. Soll ich mit dem, äh, Gepäckstück helfen?«
    »Das geht aber nicht!«, meldete sich da der schlecht gelaunte, schnauzbärtige Busfahrer, der die Szene bisher stumm und kaugummikauend mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtet hatte. Der war sicher nicht der erwähnte Reißer. »Wir sind bis zum letzten Platz besetzt. Und dieses völlig verdreckte Koffermonster kommt mir sowieso nicht in meinen Bus.«
    Zum Glück hatte er die Rechnung
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