Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest
Autoren: Stefanie Ruehle
Vom Netzwerk:
du kannst das Ganze hier von vornherein vergessen.«
    »Miststück!«, zischte Steve als Antwort und krabbelte unelegant auf die Bühne.
    Heinzi drosch derweil seine topfdeckelgroßen Hände knapp vorm Mikrofon donnernd gegeneinander, sodass die Hälfte des Publikums die Arme um den Kopf geschlungen in Deckung ging.
    Ich schüttelte ein paar Mal den Kopf, in der Hoffnung, ein Verslein möge sich aus meinen Gehirnwindungen von ganz alleine seinen Weg Richtung Mund bahnen.
    »Nicht viel denken, einfach reimen. Versteht sowieso keiner«, raunte mir da von hinten der gute Herr Scheiffele zu, der seinen ganz persönlichen peinlichen Moment schon hinter sich gebracht hatte.
    Beherzt griff ich nach dem Schnaps, den Heinzi mir eigentlich erst nach dem Verslein geben wollte, kippte ihn mit einem Satz hinunter und improvisierte: »Musik ist angegangen, Cancan-Mariechen prangen auf Bühnen ganz schön breit. Der Mob steht dumpf und schweiget und in die Bütten steiget der feiste Heinzi wunderbar.«
    Etwas wackelig beugte ich das Knie vor dem reichlich verblüfften Heinzi, der immer noch darauf wartete, dass sich ihm der Sinn dieser Worte offenbarte. Schließlich hängte er mir etwas misstrauisch den Salzteigorden um. Abgebildet war eine Cancan tanzende Gans, umgeben von Trompeten, Trömmelchen und Triangeln. Wie geschmackvoll.
    Steve raufte sich derweil die Haare, bis ihm Heinzi gnädig seinen Schnaps ebenfalls schon vor dem Orden reichte. In Sekundenschnelle kippte er selbigen und nuschelte: »Zicke zacke Hühnerkacke!«
    Jetzt war Heinzi noch verwirrter – und ich einigermaßen beeindruckt.
    »Respekt«, raunte ich Steve zu, der mit hochmütiger Miene seine Tanzgans entgegen- und neben mir Aufstellung nahm.
    Wunderbarerweise bekam da Herr Scheiffele einen Hustenanfall und hängte sich mit hochrotem Kopf röchelnd an meinen Arm. Ich tätschelte ihm schwer besorgt den Rücken und zuckte Richtung Heinzi entschuldigend mit den Schultern.
    »Heinzi, das sieht ganz schlimm und nach einem echten Notfall aus. Steve, hilfst du mir mal, den armen Herrn Scheiffele an die frische Luft zu bringen? Heinzi, es tut uns schrecklich leid, wir wären sooo gerne noch geblieben – aber du siehst ja, wie es dem armen Herrn Bezirksvorsteher geht.« Und bevor er noch mit der Wimper zucken konnte, verschwanden wir drei von der Bühne.
    »Das wäre erledigt!« Vor der Tür besserte sich Herrn Scheiffeles Hustenanfall wie durch ein Wunder. »Vielen Dank, Frau Schneck. Sie haben etwas gut bei mir.« Er zog ein gebügeltes Stofftaschentuch aus seiner Sakkotasche und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.« Er winkte, drehte sich zum Gehen und schlurfte ein paar Schritte davon. Dann zögerte er, drehte sich noch einmal um und kam mit Verschwörermiene zurück: »Wenn Sie mich aus Ihrem Artikel weitgehend raushalten«, er ruckte mit dem Kinn in Steves Richtung, »und wenn Sie vor allem ein Auge auf die Bildauswahl haben könnten, sage ich Ihnen als Erster Bescheid, wenn es im Stuttgarter Rathaus einen Skandal gibt.«
    »Vielen Dank, aber das versteht sich doch von selbst«, erklärte ich beflissen.
    Herr Scheiffele nickte dankend, grinste und schlich erleichtert und noch einmal winkend durch die Nacht davon.
    »Yes! Strike!« Ich ballte die Fäuste und freute mich wie ein Honigkuchenpferd. »Jetzt hat dieser bescheuerte Abend doch noch etwas Gutes.«
    »Ja, für dich vielleicht«, motzte Steve. »Ich habe jetzt schon Schädelweh, wenn ich an morgen früh denke. Außerdem werde ich wahrscheinlich blind, wenn ich die Bilder bearbeite. So ein Drecksjob!« Er schüttelte den Kopf.
    »Wie kommst du eigentlich hierher und zu diesem ganzen Quark?«, wollte ich von ihm wissen.
    »Ach, ich habe schon eine ganze Zeitlang was mit dem Verlagsleiter am Laufen und wollte ihm einen Gefallen tun«, erklärte er todernst.
    Wir schauten uns einen Moment mit ausdruckslosen Gesichtern an, bevor uns simultan ein Lachanfall packte, der uns minutenlang schüttelte.
    Ich japste nach Luft: »Das war wirklich der bescheuertste Job, den ich je machen musste. Und ich habe für dieses Käseblatt schon eine ganze Menge wirklich bescheuerter Jobs hingelegt.«
    Steve verdrehte die Augen und nickte andächtig. »Jeder Mensch hat in seinem Leben schätzungsweise drei solcher Abende zur Verfügung. Dann zerreißt es ihn.« Er fummelte an seiner Jackentasche herum, fischte ein Päckchen Gauloises heraus und zündete sich sehr sexy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher