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Schnarchen heilen

Schnarchen heilen

Titel: Schnarchen heilen
Autoren: Dr. Med. Berndt Rieger
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eigentlich bedeuten.
     
    Plötzlich entsteht ein neues, sägezahnartiges Wellenbild, gleich einem heftigen Schaukeln. Man kann auf den Bildschirmen sehen, wie die Augenpole, die sich bislang sanft drehten, heftige Schlaglinien wie bei epileptischen Krämpfen ziehen. Die Linien überkreuzen und verknoten sich und man weiß: Der Schlafende träumt. Er ruht in Morpheus' Armen.
     
    Gegen Morgen häufen sich im Schlaflabor die Phasen des Traums. Immer öfter gerät der matt im Tiefschlaf liegende Mensch in die Phase des Traumschlafs, immer oberflächlicher schwimmt er unter der Fläche des Bewusstseins und erkennt in Traumbildern oft schon die Realität. Eine zufallende Tür erscheint dann im Traum als ein Schuss, der Atem des Nächsten ist im Traum der Wind in einer Schlucht.
     
    Beim Erwachen ist das Ich wieder da, das Bewusstsein ist wieder in der Welt, und man fühlt sich, so der Sinn des Schlafs, wie neugeboren. Es ist aber ein Naturgesetz, so Aristoteles, dass sich die Sinne im Wachzustand wieder erschöpfen werden. Die Sinnesorgane verlieren ihre Kraft, sobald sie länger gearbeitet haben, als sie das von Natur aus können. Die Augen verlieren vom lang anhaltenden Schauen ihre Sehkraft. Das Sandmännchen streut Körner hinein, und man reibt sich die zunehmend ermüdenden Organe. Sie versagen, erst unmerklich, dann umso stärker, und dann schließen sich die Lider über ihnen. So würde das wahrscheinlich allen Sinnesorgane gehen, und versagen die Augen in unserer visuellen Welt immer zuerst. Wer sich wach halten will, scheitert oft daran, dass er die Lider nicht mehr aufhalten kann, was in Comics müde Helden dazu veranlasst, Streichhölzer in den Lidspalt klemmen zu wollen. Irgendwann einmal erschlaffen vor Müdigkeit alle Muskeln, der Kopf sinkt auf die Brust, die Beine verlieren ihre Kraft, und man rutscht kraftlos hinab auf die Erde. Dann kommt der Schlaf, und nun geht der unvermeidlich scheinende Verfallsprozess, den die Tätigkeit hervorgerufen hatte, rückwärts. Das Pendel schwingt zum Leben zurück, und manchmal reichen schon zehn Minuten Schlaf, um etwas Kraft zurückzugewinnen.
     
    Aristoteles schreibt, dass allen Tieren eines gemeinsam sei: Der Schlaf. Warum aber schlafen Pflanzen nicht? Aristoteles erklärt es damit, dass alle Tiere eine Form der Sinneswahrnehmung haben, die den Pflanzen fehlt. So wird auch gesagt, dass der Wachzustand prinzipiell dazu dient, ein mit den Sinnen wahrnehmendes Tier zu sein, während der Schlafzustand aber dem Zustand einer Pflanze gleicht, ein Zustand, der dazu dient, Nahrung zu verdauen, umzubauen und zu wachsen. Diesen Gedanken kennen heute noch die Amerikaner, die einen Komatösen gerne salopp als „vegetable“ bezeichnen, weil er dauernd schläft und vielleicht nie mehr erwachen wird. Es gibt wohl kaum eine entwürdigendere Bezeichnung für Komapatienten, sie zeigt aber auch, dass der Wachzustand eines der höchsten Güter der Menschheit darstellt.
     
    Nun hat der Schlaf einen Feind, das Schnarchen. Wenn man beobachtet, dass Säuglinge sehr lange und viel schlafen und fast nie schnarchen und dass Greise sehr kurz und oberflächlich schlafen und fast immer schnarchen, erkennt man das Gegensatzpaar. Kinder essen naturgemäß viel, um zu wachsen und zu gedeihen, und reichliches Essen macht schläfrig. Greise essen wenig, da die Möglichkeit des Wachsens und Gedeihens beinahe bis an den Nullpunkt geschrumpft ist, und das mag ein Grund für ihr geringes Schlafbedürfnis sein. Das Schnarchen aber tritt bei den meisten Menschen erstmals in der Lebensmitte auf und gilt als eines jener vielen Zeichen des Alterns und des Todes. Es ist ein laut werdendes graues Haar, laut gewordene Alterssichtigkeit. Und tatsächlich entsteht bei manchen auf rein physischer Ebene durch das Schnarchen eine Art Todesnähe. Das Schnarchen ist Ausdruck des erschlaffenden Gewebes im Bereich der Nase und des Rachenraums durch Rückgang der Muskulatur, wodurch sich diese Höhlen zunehmend verengen und dem Atem den Weg in und aus der Lunge versperren. Doch fahren wir lieber auf der symbolischen Ebene fort. „Pneuma“ war im Griechischen der Atem oder die Seele, in jedem Fall das Sinnbild des Lebens, das „Luftige“, das warmfeuchte Element. Das Schnarchen stemmt sich diesem Leben entgegen, lässt es nur widerwillig passieren auf dem Weg zwischen Innen und Außen, zwischen Lunge und Außenwelt. Je enger die Atemwege, desto stärker wird das Schnarchen, und plötzlich liegen die sich
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