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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord
Autoren: Gisbert Haefs
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sah so aus: Lanzerath habe aus Gründen, die in der Vergangenheit zu suchen seien (und die Anwälte würden zweifellos genug finden; notfalls konnten sie sogar die Wahrheit sagen über Lanzeraths schmierige Geschäfte, von denen Jüssen eben einfach gewußt habe), Jüssen ruinieren wollen. Um sich dagegen zu schützen, habe Jüssen unter anderem Matzbach angeheuert, der ihm von den Gesellschaftsabenden der Verbenstärker her auch in seiner Eigenschaft als Hobbykriminalist bekannt gewesen sei. Nach dem Tod eines alten Freundes, Schmollgruber, und dessen Neffen Czerny (»weder alte Hunde aufwärmen noch schlafende Füße wecken«, sagte Matzbach; »die Affaire Czerny contra Würselen und dessen Ableben bleibe unbetatscht«) habe Lanzerath seine Leute losgeschickt, um Schmollgrubers Haus in Frankreich zu durchwühlen, da er annehmen konnte, Schmollgruber habe dort vielleicht für Lanzeraths Zwecke verwendbares Material hinterlassen. Jüssen habe zufällig gleichzeitig (und die Zufälligkeit lasse daran denken, daß Lanzerath seinen zahlreichen anderen Vergehen auch noch das Anzapfen fremder Telefone hinzugefügt haben könne) Schmollgrubers alten Wiener Anwalt Metzler gebeten, dort nach dem Rechten zu sehen, und Matzbach sei im Auftrag Jüssens ebenfalls hingefahren, habe den Anwalt ermordet gefunden und sich mühsam gegen die Hooligans zur Wehr setzen können, wobei gewisser Schaden entstanden sei ...
    »Gewisser Schaden?« sagte Hermine; sie klang eher empört denn belustigt.
»Mon dieu!
«
    Statt mit den französischen Behörden zu kooperieren, habe Matzbach als getreuer Beschützer des zahlenden Magnaten auf dessen telefonischen Hilferuf (»Handy, leihweise, klar?«) sofort die Heimreise angetreten, um ihn aus den Klauen des nun vollends durchdrehenden Lanzerath zu befreien. Matzbach habe dann mit Hilfe einiger Leute Jüssen befreit, was nicht ohne allerlei Lebensgefahr, Notwehrmaßnahmen und so weiter abgegangen sei. Man werde ein paar Aussagen machen müssen, aber ...
    »Und dein BMW? Kriegst du den von der Versicherung ersetzt, wofür wir alle höhere Prämien zahlen müssen?« sagte Tshato.
    »Du bist Fußgänger«, knurrte Matzbach. »Halt dich da raus.«
    »Und die Spesen, die allfälligen?« sagte Yü.
    »Jüssen zahlt schlappe fünfundzwanzig für Arbeiten und Lebensrettung und so weiter. Dazu« – Matzbach grinste breit – »kauft er mir eine Sammlung philosophischer Werke ab, deren Wert mit hunderttausend angesetzt wurde. Vielleicht zahlt er auch nur, läßt aber die Bücher hier stehen. Und all das werden wir hier zusammenschmeißen und teilen. Hundertfünfundzwanzig durch sechs. Dies offiziell, also leider steuerpflichtig. Inoffiziell noch einmal das gleiche, aus irgendwelchen Reptilienfonds des verblichenen Herrn Lanzerath. Dies alles zur Besiegelung der amtlichen Fassungen und zur Wahrung allgemeinen Stillschweigens. Man hat ja einen guten Ruf.« Da keiner etwas sagte, setzte er hinzu: »Ich weiß nur noch nicht, was ich mir als nächstes Auto leisten soll. Hat jemand Tips?«
    »Steuerpflichtig.« Hermine sprach das Wort aus, wie man einen sakralen Gegenstand hochhebt: vorsichtig, gewissermaßen mit Glacézunge. »Bei all dem Gemenge und Gemorde höre ich jetzt zum beinahe ersten Mal eine Erwähnung der Staatlichkeit beteiligter Personen.«
    »O wie stelzig«, sagte Yü. »Ehrwürdiger Wagen, wollt Ihr des Gemeinwesens gedenken?«
    Lucy schloß die Augen. Dany nickte und legte die Hand auf Hermines Arm. »Ich gedenke mit. Na?« Auffordernd blickte sie die Männer an.
    »Steuern zahlen, reicht das nicht?« sagte Tshato. »Wer ersetzt Baltasar den BMW?«
    »Die Gesetze«, sagte Hermine. Sie klang fast ein wenig verzweifelt.
    »Erlassen von Leuten, die sich die Diäten erhöhen und gleichzeitig Renten und Sozialhilfe kürzen?« sagte Lucy. »Ihr spinnt doch beide, Mädels. Wo waren die Gesetze, als ihr euch in Frankreich rumgetrieben habt? Was ist mit den Gesetzen gewesen, als euch die Jungs an den Citroën gegangen sind und den BMW entsaftet haben?«
    Matzbach hob die Brauen und betrachtete Hermine; seine Mundwinkel sackten weiter.
    Yü räusperte sich. »Als Inhaber eines deutschen Ausweises ... wenn ich darf? Man umgibt uns mit Wohlfahrt und Fürsorglichkeit, nicht wahr? Bis zum Abwinken? O nein, bis weit über das Abwinken hinaus – bis zur Entmündigung. Dann wird man doch in den Lücken, die sich jäh irgendwo auftun, selber denken dürfen, oder?«
    »Wie die Herren Jüssen und Lanzerath.«
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