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Schmusemord

Schmusemord

Titel: Schmusemord
Autoren: Gisbert Haefs
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nicht viel passieren.«
    Punkt vier Uhr nachmittags erreichten sie Hermines Anwesen und fanden die Zufahrt versperrt. Ein antiker Traktor parkte auf dem letzten Stück Feldweg, aber niemand war zu sehen, der ihn hätten fahren können. Baltasar hielt an und stieg aus, ließ die Blicke schweifen und wollte eben etwas sagen, als hinter ihm ein maschinelles Schnaufen ertönte. Er wandte sich um und sah einen weiteren Traktor nahen, mit einer seltsamen Mischung aus Schneepflug, Sandschieber und Kuhfänger am Bug. Er hatte die Maschine schon einmal gesehen, irgendwo in der Nähe, und auch den Frontzusatz, aber in der Eile fiel ihm nicht ein, wo. Es hätte auch nichts genützt, sagte er sich später.
    Der zweite Traktor kam den Weg hoch, schnaufte wieder, berührte den BMW am Heck und schob den Wagen vorwärts. Baltasar hatte den Motor laufen lassen und den Automatikhebel auf P gestellt; die Reifen mochten die Zwangsbewegung nicht, und er bildete sich ein, das Getriebe motzen zu hören.
    Die Plastikscheibe des Traktors war fast undurchsichtig; Matzbach hätte außerdem schwören mögen, daß der Fahrer eine Sonnenbrille trug. Die Browning lag im Handschuhfach, und Hermine hatte sich noch nicht abgeschnallt. Baltasar riß die Fahrertür auf, schrie »raus«, versuchte die hintere linke Tür zu öffnen, um an die Papiere und den Messerkasten auf der Rückbank zu gelangen, aber das ging schon nicht mehr. Oder noch nicht wieder, je nachdem; er war nicht sicher, ob nicht bei Fortgang der Akkordeonisierung des BMW die Türen von selbst aufspringen würden. Hermine stemmte sich gegen ihre Tür, konnte sie nicht öffnen, zog die Beine hoch, als der Raum zwischen Sitz und Front enger wurde, ergriff Matzbachs ausgestreckte Hand und ließ sich herausziehen.
    Der Motor des Traktors lief immer noch. Die Scheiben des BMW barsten und rieselten wie Hagel nach innen und außen. Baltasar verzichtete auf jeden Versuch, noch etwas aus dem Wagen zu holen, schob Hermine vor sich her, deckte sie mit seinem massigen Leib gegen alles, was außer Geräuschen noch vom zweiten Traktor kommen mochte, zum Hof, in der Hoffnung, daß dort nicht auch noch jemand stand.
    Aus dem Traktor stieg langsam, fast lässig ein schlanker Mann mit Sonnenbrille, Strumpfmaske, schwarzem Trainingsanzug und schwarzen Schuhen. In der Rechten – sie steckte in einem schwarzen Handschuh – hielt er eine nicht ganz kleine Waffe. Er bewegte sie auffordernd hin zum Hof; als Matzbach und Hermine rückwärts wichen, nickte er knapp und ging ebenfalls rückwärts, vom Traktor weg, dann seitlich ins Feld, hinter den Traktor, und war verschwunden. Sekunden später glitt etwas, was ein Landrover oder Patrol oder Pajero oder derlei sein mochte, zwischen zwei Büschen hervor, der Mann sprang hinein, der Wagen holperte über das Brachfeld, erreichte den nächsten Weg und raste davon.
    Es gelang Baltasar mit ein wenig Mühe und Gekletter, Papiere, Browning und Messerkasten zu bergen. Er nahm aber an, daß vom Gepäck im Kofferraum auch nach Einsatz von Schneidbrennern nichts Erwähnenswertes mehr zu sehen sein würde.
    Hermine schien merkwürdig gefaßt. »Was soll’s?« sagte sie halblaut, als er sie fragend ansah. »In deiner Gesellschaft muß man offenbar mit allem rechnen.« Dann kicherte sie. »Ich frag mich nur, wie Bauer Schmittling reagiert, wenn er seine beiden alten Traktoren hier oben sieht.«
    Im Innenhof stand Hermines Benz, offenbar heil; der Citroën würde in der Werkstatt stehen, die ihn hatte abholen lassen. Matzbach seufzte. »Irgendwie gehen jedesmal Wagen zu Bruch. Ich frag mich, ob das irgendwas Astrologisches bedeutet.
Du sollst auf Widder umsteigen
oder so.«
    »Rufst du die Polizei, oder soll ich das machen?« Hermine schloß die Tür auf und trat in den Flur.
    »Weder noch.«
    »Aber ...« Dann verstummte sie, nickte nur.
    »Oder meinst du, wir hätten irgend etwas zu erzählen, was uns jemand glaubt und was uns nicht selbst reinreißt?«
    »Kaffee«, murrte sie. »Und reden. Wir müssen darüber reden. So geht das nicht.«
    »Später, Geliebte. Ich nehme an, wir haben zuerst noch ein paar andere Dinge zu tun.«
    »Was denn?«
    Das Telefon klingelte. Hermine nahm ab, erstarrte, reichte Matzbach wortlos den Hörer.
    Es war die Stimme von Evergislus Lanzerath. »Sie brauchen ein neues Auto, habe ich gehört?«
    »Ich steig auf Pferd um«, sagte Matzbach.
    »Sehr witzig. Wenn Sie die Botschaft verstanden haben und zivilisiert feilschen mögen, kommen Sie heute
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