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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Autoren: Matthias P Gibert
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trugen weiße Tyvekanzüge, blaue Füßlinge und einen
Haarschutz. Kostkamp zwängte seine Hände gerade in eng anliegende
Einweghandschuhe.
    »Moin, Heini.«
    »Moin, Kleiner. Sag bloß, du bist allein?«
    »Nein, obwohl er auch ohne mich klarkommen würde«, mischte
Lenz sich ein, der auch auf den Flur getreten war.
    »Hallo, Paul«, grinste Kostkamp seinen Kollegen an. »Das war
auch nur eine Finte, weil ich doch deinen Elefantenrollschuh draußen stehen
gesehen hab. Will der eigentlich noch wachsen oder bleibt er so?«
    Seit Lenz sich vor etwa einem halben Jahr einen zweisitzigen
Kleinwagen zugelegt hatte, nahmen die Frotzeleien darüber kein Ende.
Mittlerweile konnte der Hauptkommissar die ewigen Zoten kaum noch hören.
    »Lass uns nach drüben gehen und mit der Dame sprechen, die
ihn gefunden hat, Thilo, damit wir den Kollegen von der Spurensicherung nicht
im Weg stehen.«

     
    Die Frau war weit über 70, hatte schlohweißes
Haar und trug eine alte, verwaschene Kittelschürze. Ihre Augen waren rot gerändert
und über ihre Wangen liefen dicke Tränen, die sie mit einem längst
vollgesogenen Stück Küchenkrepp abwischte. Ihr gegenüber saß eine junge
Polizistin, der man ihr Mitleid und ihr Unbehagen ansah. Die beiden Kripobeamten
standen vor der offenen Küchentür und wollten gerade eintreten, als Lenz’
Mobiltelefon klingelte. Er trat zur Seite und nahm den Anruf an.
    »Ich bin’s, Maria.«
    Er gab Hain mit der Hand ein Zeichen, dass es einen Moment
dauern würde, und ging in den Hausflur.
    »Ja, Maria, was gibt’s denn?«
    »Erich hat gerade angerufen und mich zur Minna gemacht.«
    Lenz schluckte. »Das tut mir leid. Was hat er denn gesagt?«
    »Dass er mich so fertig machen will, dass am Ende kein Hund
mehr ein Stück Brot von mir nehmen wird.«
    »Aber das ist doch Quatsch, Maria. Du wirst dich doch davon
nicht beeindrucken lassen.«
    »Eigentlich nicht, das weißt du auch, aber er klang wirklich
böse.«
    »Dass er böse und verletzt ist, kann ihm niemand verdenken.
Aber alles andere ist bloßes Getrommel, damit du es dir anders überlegst, glaub
mir.«
    Sie antwortete nicht, sondern zog nur die Nase hoch.
    »Weinst du?«
    »Hab ich eben, ja. Am liebsten würde ich ihn anrufen und ihm
sagen, was für ein kleiner, dummer Kerl er ist.«
    »Aber weil du
ein kluges Mädchen bist, lässt du es sein, ja?«
    »Natürlich.«
    »Warum bist du denn überhaupt drangegangen, als er angerufen
hat?«
    »Ich dachte doch, dass du es wärst. Kann ich denn ahnen, dass
mein holder Herr Nochgemahl um diese Zeit mit mir sprechen will? Ich lag schon
im Bett.«
    »Und, gefällt’s dir?«
    Sie überlegte. »Das Bett ist in Ordnung, aber über deine
Einrichtung müssen wir dringend sprechen. Da geht ja das eine oder andere gar
nicht.«
    »Sehr gern. Jetzt leg dich wieder hin und versuch zu
schlafen.«
    »Wann kommst du nach Hause?«
    »Sobald ich hier etwas klarer sehe. Vielleicht bin ich in
einer Stunde zu Hause, vielleicht komme ich aber auch nur, um kurz zu duschen.«
    »Wie du es machst, ist es richtig. Ich freue mich auf dich.«
    »Ich mich auch auf dich. Bis dann.«
    »Bis dann.«

     
    »Das ist Frau Allmeroth, Paul«, wurde er von
Hain begrüßt, als er die Küche betrat, in der noch immer die alte Frau und die
Polizistin am Tisch saßen. »Alles klar?«
    »Ja, alles klar«, antwortete der Hauptkommissar und gab der
Frau die Hand.
    «Guten Abend, Frau Allmeroth. Ich bin Hauptkommissar Lenz von
der Kasseler Polizei.«
    Sie erwiderte seinen Händedruck fest. »Guten Abend, Herr
Kommissar.«
    »Es tut mir leid, dass wir Sie jetzt noch belästigen müssen,
aber es gibt ein paar Fragen, die dringend sind.«
    »Das macht nichts«, erwiderte sie und fing wieder an zu
weinen. »Er hat doch nie jemandem was getan. Warum macht man so was mit einem
alten Mann wie ihm? Noch dazu an so einem Tag?«
    Lenz und Hain sahen sich kurz an.
    »Was ist denn für ein Tag, Frau Allmeroth?«
    »Seine Frau ist heute Nachmittag beerdigt worden.«
    Lenz hatte keine Ahnung, was er dazu sagen sollte, also hielt
er den Mund.
    »Frau Allmeroth hat mir erzählt«, begann die junge
Polizistin, »dass Frau Bauer letzte Woche gestorben ist, nachdem sie viele
Jahre gegen den Krebs gekämpft hat. In den letzten Monaten muss es wohl sehr
schlimm gewesen sein, und Herr Bauer ist keine Sekunde von ihrer Seite
gewichen. Er hat sie gepflegt bis zum Ende.«
    Die alte Frau am anderen Ende des Tisches nickte traurig.
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