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Schmetterlingsschatten

Schmetterlingsschatten

Titel: Schmetterlingsschatten
Autoren: Veronika Bicker
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sich die Klinge noch ein Stück tiefer in ihr Fleisch. Dieses Mal tat es richtig weh, doch sie wagte nicht, einen Laut von sich zu geben.
    Ihre Mutter jedoch stieß einen leisen, wimmernden Laut aus und ließ das Messer fallen.
    »Gut.« Julians Stimme klang zufrieden. Er nahm die Klinge von Elenas Kehle, doch er lockerte seinen Griff nicht und seine Hand zitterte nach wie vor heftig. Wo blieb nur die Polizei? Hatte Vanessas Freund sie nicht angerufen?
    »Was hast du vor?« Das war Malins Stimme, erstaunlich ruhig jetzt.
    Julian schien verunsichert. »Ich…«, er zögerte.
    Eine Erkenntnis durchzuckte Elena. Spätestens jetzt war Julian zu weit gegangen. Er konnte sie und ihre Mutter nicht einfach so laufen lassen, nicht nach dem, was hier geschehen war. Und Malin schien das auch zu ahnen. Was würden sie jetzt tun? Sie umbringen, wie sie Laura umgebracht hatten? Noch einen Unfall inszenieren? Das Auto ihrer Mutter stand ganz in der Nähe, bestimmt…
    Sie erlaubte sich nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Es musste etwas geschehen, und zwar schnell. Ohne Vorwarnung, ohne nachzudenken, warf sie sich nach hinten. Mit dem Hinterkopf prallte sie gegen Julians Kiefer. Er schrie auf und sein Griff lockerte sich. Elena riss sich los und rannte in Richtung ihrer Mutter. Sie mussten von hier weg, und zwar schnell.
    »Mama…« Sie stockte. Ihre Mutter hatte sich blitzschnell gebückt und ihr Messer wieder an sich gerissen. Sie schob Elena einfach zur Seite und trat auf Julian zu, der die Hand vors Gesicht gepresst hatte.
    »Warst du es?« Ihre Stimme war tonlos, ihr Blick starr. »Hast du auch Laura umgebracht?«
    »Nein!« Plötzlich war Tristan da, trat zwischen Julian und Elenas Mutter.
    »Mama!«, schrie Elena gleichzeitig, aber ihre Mutter hörte nicht auf sie. Sie hob das Messer.
    »Verschwinde! Du bist doch an allem schuld.« Tristan rührte sich nicht, ob aus Angst oder Trotz konnte Elena nicht sagen.
    Mit einem Schrei stürzte sich ihre Mutter auf Tristan. Elena sprang nach vorne, wollte zupacken, sie abhalten, irgendetwas, aber ihre Hände griffen ins Leere. In ihrem Kopf gab es nur noch Platz für einen Gedanken: zu spät.
    Tristan schrie auf. Elena konnte nicht sehen, was passiert war, wie schwer er verletzt war, aber nun war auch Julian wieder auf den Beinen, griff nach seinem Messer…
    »Sofort aufhören! Stehen bleiben! Polizei!« Sie hatte die Schritte überhört, aber die Stimme Herrn Grevensteins schallte laut genug über den See, um sie alle zusammenfahren zu lassen.
    Dann waren da uniformierte Gestalten, die ihre Mutter von Tristan fortrissen, die Julian festhielten, die sich den anderen Cliquenmitgliedern in den Weg stellten, als diese davonlaufen wollten.
    Zum ersten Mal empfand Elena grenzenlose Erleichterung beim Anblick von Polizisten. Ihre Beine wurden seltsam weich, sie ließ sich zu Boden sinken und schloss für einige Momente die Augen.
    Es war vorbei.
    »Das heilt schnell«, versicherte der Arzt und lächelte sie freundlich an. Unsicher betastete Elena den Verband um ihren Hals. Ihre Arme und Hände fühlten sich an, als habe man ihr die Haut abgezogen, aber sie schätzte, dass sie noch mal Glück gehabt hatte.
    Dankbar nickte sie dem Arzt zu, sprang von der Liege und machte sich auf den Weg nach draußen. Die Polizei wartete schon.
    »Hey.« Ein heiseres Flüstern kam aus einem der Zimmer. Sie wandte den Blick. Tristan. Er hatte die Tür einen Spalt aufgeschoben und betrachtete sie von dort aus, mit einer Hand gegen den Rahmen gestützt. Den anderen Arm trug er in der Schlinge.
    Einen Moment lang tat er Elena leid, dann erinnerte sie sich daran, wie er sie betrogen hatte. »Was willst du?«, fragte sie unfreundlich.
    Tristan lächelte sehr müde und traurig. Elena hätte nicht geglaubt, dass er jemals so hilflos wirken konnte. »Ich wollte dir nur sagen … wir haben Laura tatsächlich nichts angetan. Das musst du mir glauben. Ich bin kein Mörder.«
    Elena musterte ihn kalt. »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben kann«, erwiderte sie.
    Wieder huschte der Schatten eines Lächelns über sein Gesicht. »Das habe ich wohl verdient.« Er sprach nicht weiter, sah sie nur fragend an.
    »Also gut, was ist passiert?«, fragte sie, obwohl sie nicht genau wusste, ob sie das noch interessierte.
    »Es war ein Unfall«, sagte er. Seine Stimme war rau. Er hatte den Blick auf den Fußboden gesenkt, als gäbe es dort etwas unglaublich Interessantes zu sehen. »Wir haben vielleicht ein bisschen Mitschuld,
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