Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmetterlingsschatten

Schmetterlingsschatten

Titel: Schmetterlingsschatten
Autoren: Veronika Bicker
Vom Netzwerk:
aber es war wirklich ein Unfall. Wir haben uns noch mal mit ihr getroffen. Wollten sie überreden, dass sie ihren Artikel nicht an die Zeitung schickt. Aber sie wollte nicht zuhören. Hat immer nur gesagt, andere müssten davon erfahren und dass wir nicht einfach so vergessen könnten, einen Menschen getötet zu haben. Da bin ich wütend geworden. Habe gesagt, dass sie es bereuen wird, wenn sie das tut.« Er zögerte einen Augenblick, sah kurz zu Elena auf und dann gleich wieder auf seine Fußspitzen. »Na ja, ich hab’s natürlich nicht so gemeint. Ich kann bestimmt niemanden umbringen, aber sie hat Angst bekommen. Sie ist zu ihrem Roller gerannt und losgedüst. Ich bin ihr hinterher, weil ich gedacht hab, sie fährt jetzt gleich zur Polizei oder so. Aber sie war zu schnell. Ich habe sie aus den Augen verloren. Und dann…« Er sprach nicht weiter. Elena konnte sehen, wie er sich auf seine Unterlippe biss.
    »Dann ist sie gegen diesen Baum gefahren.« Endlich hatte er den Mut aufgebracht weiterzusprechen. »Sie muss wirklich Panik gehabt haben und hat nicht auf die Straße geachtet.«
    Er schwieg. »Und dann?«, flüsterte Elena.
    »Ich hab das erst am nächsten Tag erfahren. Ich bin ihr nicht mehr nach«, sagte er leise. »Ich bin heimgefahren.«
    Stille.
    Sie war versucht, an Tristans Geschichte zu zweifeln. Lauras Tod konnte nicht einfach nur ein Unfall sein. Irgendwie war dafür zu viel geschehen. Und doch wusste sie, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Er hätte niemanden umbringen können.
    »Es tut mir leid«, murmelte Tristan schließlich. »Ehrlich. Ich habe Laura gemocht. Wir haben auch… seit dem Unfall nichts mehr… richtig Verbotenes getan. Wir sind… vernünftig geworden, ehrlich. Bis auf die Sache mit Mark. Aber wir hatten Angst, dass es rauskommen könnte.« Er sah Elena an, als wolle er, dass sie ihm Absolution erteilte.
    »Und die Sache mit meiner Mutter?«
    Er sah sie verzweifelt an. »Das wollte ich nicht. Das war Julian.«
    Sie hatte recht, er hatte die Kontrolle verloren. Vielleicht schon lange. Vielleicht war das alles nur geschehen, weil er darum gekämpft hatte, Anführer zu bleiben. Es war ihr gleich. Er hätte es nicht zulassen sollen.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Und wennschon.«
    Wieder schwiegen sie. Einen Augenblick lang wünschte sich Elena beinahe, sie hätte all das nicht herausgefunden und Tristan würde sie jetzt in den Arm nehmen. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass das alles gelogen gewesen war.
    »Wenigstens die Mutprobe hättest du mir ersparen können«, murmelte sie mehr zu sich als zu ihm. Er hatte sie trotzdem gehört.
    »Was?«
    »Warum musste ich von dem dämlichen Turm springen, wenn ihr mich doch nur in der Clique haben wolltet, um in unser Haus zu kommen?«, fragte sie jetzt lauter. Immer stärker wurde ihr bewusst, wie leicht etwas hätte passieren können. Wenn sie nur ein bisschen daneben gesprungen wäre oder eine flache Stelle erwischt hätte …
    Tristan sah nur betreten zu Boden und hob leicht die Schultern.
    »Das nennst du also ›vernünftig geworden‹, ja?« Die Bitterkeit in ihrer Stimme erschreckte sie selbst. Tristan kaute verlegen auf seiner Unterlippe herum.
    »Meistens ist es doch gut gegangen«, murmelte er.
    »Meistens?« Sie hätte es sich denken können. Von wegen, es konnte nichts passieren. Noch eine Lüge.
    »Patrick hat sich einmal das Schienbein aufgeschlitzt, an irgendeinem rostigen Träger unter der Oberfläche. Aber das war nicht so schlimm, ehrlich!«
    Elena schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich nicht mehr zu retten, oder? Wolltest du warten, bis sich einer an so einem rostigen Teil aufspießt?«
    Er antwortete nicht. Es war auch nicht nötig. Elena hatte genug gehört. Sie machte Anstalten, sich umzudrehen, aber Tristan legte ihr seine Hand auf den Arm. Ärgerlich schüttelte Elena sie ab.
    »Was hast du jetzt vor?« In Tristans Blick lag jetzt etwas Flehendes.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Nach Hause gehen.« Damit wandte sie sich ab und ging mit langen Schritten Richtung Ausgang.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher