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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt
Autoren: Kristina Dunker
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wieder weg, wie ein Geschenk, das noch verpackt ist und mit dessen Öffnen ich noch etwas warten will. Dann mache ich eine Rolle rückwärts, springe auf, rufe: »Fünf, sechs, sieben, acht!«, und tanze los.
    Wir stehen im Schatten unter dem kleinen Bäumchen. Conny hat eine neue Sonnenbrille, die probiere ich gerade auf, als Sebastian über den Schulhof kommt.
    »Guckt mal, unser kleiner Rollmops«, sagt Sandra.
    »Oh nein, er steuert auf uns zu.« Conny zieht einen Flunsch.
    Sebastian sieht es, zögert, kommt schließlich doch herüber.
    »Hallo! Na, war deine Party noch gut?« Er beginnt mit Conny zu reden, aber seine Augen blicken mich an.
    Das irritiert mich. Ich weiß weder, wie ich jetzt zu meinem Verhalten vom Samstagabend stehen soll, noch, warum ich mich überhaupt mit diesem viel zu dicken Jungen eingelassen habe. In so einen verliebt man sich nur, wenn man blind, potthässlich oder mindestens genauso fett ist wie er. Das bin ich aber keineswegs. Ich finde mich zwar auch nur bestenfalls mittelmäßig, bin aber sehr schlank und besitze superlange, kastanienbraune Haare, um die mich manche Mitschülerinnen beneiden. So gesehen habe ich keinen Grund, mich mit dem Kloß einzulassen. Ich mache mich lächerlich, wenn ich es dennoch tue.
    » … also, du hast die Zuckermäuse in unserer Garageneinfahrt liegen lassen«, sagt Conny jetzt und zuckt die Achseln. »Ich hab mich schon gewundert, wo die herkamen …«
    »Aber ihr habt sie mir doch ans Rad gehängt!«
    »Mann, verstehst du nicht, das hat keiner von uns gemacht!«, ruft Conny aufgebracht. »Das waren bestimmt Kinder. Wir haben einige Rabauken in der Straße, die machen auch dauernd Klingelmännchen.«
    »Das waren keine Kinder.«
    »Haah!« Conny stöhnt auf und fährt sich durch die Haare. Auch Sandra macht ein genervtes Gesicht.
    »Lasst uns reingehen«, sagt sie und hakt sich bei Conny ein.
    »Ja, du hast Recht. Hier draußen kriegt man leicht einen Sonnenstich. Einige Leute haben den offensichtlich schon.«
    Sie wirft Sebastian einen hochnäsigen Blick zu, er schweigt. Die Mädchen setzen sich in Bewegung, ich bleibe stehen.
    Was ich an Sebastian mag, ist seine ruhige Art. Er flippt weder aus, noch versucht er einem seine Meinung durch viel Gelaber aufzudrängen. Er scheint nicht einmal besonders empfindlich und nachtragend zu sein. Auch wenn er trotz seines hübschen Gesichts insgesamt überhaupt nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht – ich möchte mich an ihn anlehnen. Ich möchte, dass er mich mit seinen breiten Armen umfasst und seine Ruhe auf mich übergeht, ich möchte, dass er hinter mir hergeht, seine Arme um meinen Körper geschlungen, als seien sie die stoßdämpfenden Gummireifen um den Wagen beim Autoscouter auf der Kirmes: Alle könnten mich anrempeln, wegdrängen, in die Zange nehmen – die Erschütterungen in meinem Inneren wären nicht so schlimm, hätte ich den Schutz seiner Arme.
    »Kann ich dich mal allein sprechen?«, fragt er.
    »Wieso?« Meine Kehle ist trocken, ich friere und schlinge meine eigenen dünnen Arme um meinen Körper.
    »Ich hatte gehofft, du würdest gestern mal anrufen. Immerhin hattest du’s versprochen, und nach dem, was am Samstagabend …«
    Er stockt, und Conny und Sandra, die den Satz noch mitbekommen haben, bleiben sofort stehen und drehen sich um.
    »Na ja, es kann natürlich sein, dass du es schon bereust …«, murmelt Sebastian und scharrt mit seiner Schuhspitze über den Boden. »Sollte es so sein, tut’s mir natürlich Leid. Ich meine, für mich war es sehr schön, aber wenn es dir jetzt unangenehm ist, dich noch mal mit mir zu treffen und zu reden oder so, dann okay«, er wird rot, kratzt mit seinem Schuh die trockene Erde auf, »gut, dann vergessen wir’s.«
    »Was war denn am Samstag?«, fragt Conny neugierig.
    »Das geht dich nichts an!«, ruft Sebastian. Man merkt, dass ihm die Sache nahe geht.
    »Ach nein? Falls du’s nicht weißt, Fleischwurst, Püppi ist meine Freundin.«
    Conny und ich kennen uns seit dem Kindergarten, sitzen in der Schule nebeneinander, stehen auf die gleiche Musik, tragen die gleichen Schuhe, die gleichen Frisuren. Äußerlich sind wir ein Herz und eine Seele. Unter der Oberfläche allerdings sind wir grundverschieden. Conny verfügt über tausend und abertausend Schutzschichten, ihr Selbstbewusstsein umgibt sie wie die Firewall des bestgesicherten Computers der Welt, ich dagegen habe nur meine dünne Haut und die verletze ich noch selbst.
    »Es tut mir
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