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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt
Autoren: Kristina Dunker
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vorgekommen wie in diesem Moment.
    »Vielleicht ist sie es ja«, flüstert sein Vater, und seine Augen, die so blau sind wie Sebastians, leuchten vor Freude.
    »Wir wollten uns nur mal erkundigen, ob Oberfolterknecht Kramer gut geschlafen hat. Hat er von aufgesägten Affenschädeln und durchlöcherten Katzenhirnen geträumt? Und was gab’s zum Frühstück? Weiße Maus mit Krebsgeschwulst an entzündetem Kaninchenauge?«
    »Arschloch!«, brüllt Sebastian so laut, dass sein Vater aufspringt. Er reißt seinem Sohn den Hörer aus der Hand, aber am anderen Ende der Leitung ist aufgelegt worden.

7 Pia
    Nachdem ich das Frühstücksgeschirr abgeräumt und damit meine Hausarbeitspflichten für heute erledigt habe, packe ich gleich meine Sachen, um mich möglichst schnell vom Acker zu machen. Am Samstagmorgen putzen und heimwerken meine Eltern nämlich leidenschaftlich gern, und wenn ich nicht schnellstens verschwinde, muss ich meinem Vater bestimmt irgendwo ein Brett festhalten oder mit meiner Mutter das Fensterleder schwingen.
    Rasch schließe ich mich in meinem Zimmer ein und hole mein Notfallpäckchen aus seinem Versteck, dem Bauch meines alten Teddys Fritz. Er sitzt stets oben auf meinem Kleiderschrank, blickt freundlich und glotzäugig hinunter, und niemand ahnt, dass er noch immer mein einziger Vertrauter in der Not ist. Vor einiger Zeit habe ich ihn nämlich aufgeschnitten, innen ausgehöhlt, mit einem unauffälligen Reißverschluss versehen und seinen Bauch mit einer kleinen Apotheke gefüllt: Narbengel, Wundsalben, verschiedene Sorten von Pflastern und kleinen Verbänden. So muss ich nicht mehr die Arzneimittel meiner Eltern benutzen und vermeide unnötige Nachfragen.
    Sorgfältig versorge ich meine Wunden, worin ich mittlerweile eine gewisse Routine habe. Dennoch geschieht es ab und zu, dass meine Verletzungen mich erschrecken. Manchmal mag ich kaum glauben, dass ich selbst diejenige bin, die mir das angetan hat. Den Gedanken schiebe ich dann lieber ganz weit weg. Das ist allerdings nicht immer so. Es gibt auch Tage, an denen ich meine Narben zähle, wie Spitzensportler ihre Pokale. An diesen Tagen schätze ich sie, denn sie erscheinen mir wie Spuren eines Kampfes auf Leben und Tod, den ich zwar mit großer Anstrengung, aber doch erfolgreich für mich entschieden habe.
    Nachdem ich mein Verbandszeug wieder gut versteckt habe, suche ich meine Lieblings-CD, den neuen Sampler mit den Disco-Tanzstücken. Sie ist nicht zu finden. Bestimmt ist sie bei Benne. Er bedient sich stets bei mir, als wären es seine eigenen Sachen, hält es nicht mal für nötig, mir Bescheid zu sagen, wenn er sich etwas ausgeliehen hat.
    Ohne anzuklopfen, stürze ich in sein Zimmer. Mein Bruder telefoniert. Mit meinem Handy! Unverschämt!
    Natürlich schaltet er es blitzschnell aus, als er mich sieht, aber ich habe ihn ertappt.
    »Sieh an, vor unsern Eltern spielst du immer den braven Jungen, der niemals sein Geld für sinnloses Telefonieren und Simsen ausgibt und lieber alles in sein Sparschwein steckt, damit er sein Studium selbst finanzieren kann und später nicht der Familie auf der Tasche liegen muss. Aber heimlich benutzt du mein Handy und in deinem Player läuft auch gerade meine CD!«
    »Meins, meins, meins!«, äfft er mich nach, dreht die Stereoanlage, die die ganze Zeit sehr leise lief, auf und wirft mir das Handy zu. Ich fange es im letzten Moment, bevor es auf dem Boden aufschlägt.
    »Ey, kannst du vielleicht mal anständig mit meinen Sachen umgehen?«, keife ich.
    »Kannst du nicht richtig fangen?« Benne grinst. »Nun stell dich nicht so an, ich hab dir dafür dein Fahrrad repariert.«
    »Du hast mir den Platten ja auch reingefahren!«, fauche ich und spüre in dem Moment eine Bewegung hinter mir.
    »Was ist denn hier wieder los?«, fragt meine Mutter streng.
    »Er vergreift sich an meinen Sachen!«, rufe ich und grabsche nach der CD, die mein Bruder aus der Anlage holt.
    »Oh, Entschuldigung, ich hab nicht gewusst, dass Mademoiselle auf ihrem Ego-Trip ist!« Mal wieder versteht er es blendend, die Tatsachen umzudrehen. Wie mich das aufregt!
    »Idiot!«, fauche ich und will verschwinden, aber meine Mutter hält mich zurück. »Hört mal, ihr müsst nicht immer streiten. Natürlich hätte Benne dich um Erlaubnis bitten müssen. Andererseits: Warum soll er sich nicht deine CD anhören? Wir sind eine Familie!«
    »Es geht nicht nur um die CD, es geht auch ums Handy! Er vertelefoniert mein Taschengeld!«
    »Ein einziges Mal!«,
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