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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Schau dich wenigstens ein bisschen um,
ja?«
    »Wie viele Polizisten sind schon hier?«
    »Zwei. Die Verstärkung ist angefordert. Spurensicherung, Mordkommission,
das ganze Programm.«
    Seufzend kratzte ich mich am Kopf. Dass ein Abend, der
zwischen Sanddünen begonnen hatte, so enden musste! »Versuchen kann ich es«,
sagte ich. »Nicht mehr und nicht weniger, kapiert?«
    Er nickte erleichtert.
    Wir traten hinaus in den Flur. Gerade wurde der letzte Rest
Sauerstoff von Zigarettenrauch verdrängt. Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden?
Heute scherte sich keiner darum. Gedämpfte Gespräche, hin und wieder erregtes
Zischeln, einzelne Schluchzer. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um den
Flur in seiner ganzen Länge zu überblicken.
    »Wer sind diese Typen?«, fragte ich Covet.
    »Leute vom Theater und vom Orchester, soweit ich sehe. Der
Inspizient, zwei Geiger, ein Verwaltungsfritze. Besucher eher nicht. Aber der
Graf ist da.«
    »Welcher Graf?«
    »Der aus der Oper.« Er zeigte auf den Burschen mit der
Perücke, auf dessen Wange ein dicker Schönheitsfleck prangte.
    »Und Nagels Zimmer?«
    »Liegt am anderen Ende. Bernd ist mit den beiden Polizisten
drin.«
    »Wie war noch mal der Name seiner Freundin?«
    »Nierzwa. Annette Nierzwa.«
    »Dann mal los.« Marc im Schlepptau, bahnte ich mir einen Weg
durch die Gaffer. Der Zigarettenrauch vermischte sich mit dem Duft dick
aufgetragenen Parfüms und Rasierwassers; Alkoholschwaden vervollständigten die
ungesunde Mixtur. Premierenaura eben. Ein kräftiger Mann im Arbeitskittel stank
nach Schweiß.
    »Es ist traurig«, hörte ich eine Frau in der Tracht
fröhlicher Landleute sagen. Sie hatte rote Bäckchen und einen Kussmund. »Heulen
könnte ich, nur noch heulen.«
    »Vielleicht war es ein Unfall«, sagte eine andere.
    »Es war kein Unfall. Unfälle sehen anders aus.«
    »Zum Heulen ist es trotzdem.«
    »Entschuldigung, Herr Graf«, sagte ich und tippte dem vor mir
stehenden Perückenmann auf die Schulter. »Dürfte ich vorbei?«
    Der Graf drehte sich um, sah mir ernst ins Gesicht und
räusperte sich. »Und so vor dem Leben verblasst die Fiktion«, sagte er. »Altes
Theatergesetz.« Er hatte die angenehme Stimme erfahrener Sänger.
    Ich nickte und schob mich vorbei.
    Die Tür zu Nagels Zimmer stand sperrangelweit offen. Um die
Schaulustigen auf Distanz zu halten, hatten die eingetroffenen Polizisten zwei
Stühle auf die Schwelle gestellt. Rechts an der Wand ein kleines Plastikschild:
›B. Nagel, Geschäftsführer‹. Ich stützte mich auf die Lehne des einen Stuhls
und spähte ins Zimmer hinein. Einer der beiden Polizisten bemerkte mich.
    »Draußenbleiben!«, schnauzte er mich an. Mir blieb die Luft
weg.
    Allerdings nicht wegen ihm. Ich hatte die Leiche gesehen, ich
hatte ihr Gesicht gesehen, und ich hatte es wiedererkannt.
    »Das ist Annette?«, flüsterte ich. »Das da?«
    Covet nickte. Er stand einen Schritt hinter mir, die Lippen
zusammengekniffen.
    Annette Nierzwa war die Frau von vorhin. Die Reiterin, die
mit den hüpfenden Brüsten. Jedenfalls glich sie ihr verblüffend. Sie hatte
halblange, dunkle Locken, sie war attraktiv und fast ein wenig üppig. Vor allem
die Hüften waren es. Das sah man, weil sie ihren nackten Hintern dem Betrachter
entgegenstreckte.
    »Was soll das?«, zischte ich. »Habt ihr sie so gefunden?«
    Covet nickte erneut und wandte sich ab.
    Ich brauchte einige Augenblicke, um mich von meinem Schrecken
zu erholen. Natürlich war Annette Nierzwa nicht die Amazone auf dem Pferd
gewesen. Ich hatte Bernd Nagels Freundin nie zuvor gesehen, sie war auch nicht
nackt, sondern lag angezogen auf dem Boden, in dieselbe hellgraue Kluft wie
ihre Kolleginnen von der Garderobe gekleidet. Nur ihr Rock war hochgerutscht,
und sie trug keine Unterwäsche. Kein Wunder, dass ich sofort an meinen blöden
Traum erinnert wurde. Es war aber auch eine Schande, wie sie da lag: halb auf
der Seite, Gesicht nach links, das linke Bein angewinkelt, die Hinterbacken
schräg in die Höhe gereckt. Was für eine makabre Peepshow! Da wurde jeder zum
Voyeur.
    Die Fiktion verblasst vor der Realität, hatte der
Perückenheini orakelt. Es stimmte; meines Wissens gab es keine Oper mit derart
arrangierter Leiche. Aber wie viele Opern kannte ich überhaupt?
    Neben der Toten kniete der Polizist, der mich angeschnauzt
hatte, und beschäftigte sich mit irgendetwas. Es kam mir vor, als schnüffelte
er sie ab. Er schaute ihr ins Gesicht, in

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