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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Streckte erst meine Nase in das
Zimmer des Geschäftsführers, dann den Kopf, den Oberkörper, bis zuletzt beide
Füße auf der Schwelle standen.
    »He!«, raunzte mich der überforderte Polizist an, um sich
gleich wieder seinem Gesprächspartner zuzuwenden: wenn der Herr tatsächlich der
Chef hier sei, möge er so kooperativ sein und die versammelten Herrschaften
bitten, sich für die Fragen der Mordkommission zur Verfügung zu halten.
    »Ach«, lachte der Feiste schrill. »Sie wollen den Gaffern
diesen Anblick also weiterhin bieten?«
    Das müsse man verstehen, mischte sich Covet ein. Es gehe um
Zeugenbefragung. Und dann die Spuren. Die Beamten trügen schließlich die
Verantwortung.
    Ich stand nun direkt vor der Leiche. Annette Nierzwas
Pobacken glänzten matt im Licht der Deckenlampen. An ihrem Hals zeichneten sich
dunkle Flecken ab, die ich zuvor nicht bemerkt hatte. Die hätte ich mir gerne
einmal näher angesehen.
    »Das gilt auch für Sie, mein Herr!«, schrie der
Schnüffelbeamte und machte einen Schritt in den Flur hinaus. Vielleicht meinte
er Covet. »Finger weg von der Tür! Niemand betritt diesen Raum, verstanden?
Niemand.« Murren antwortete ihm.
    Meine Chance. Ich huschte in Nagels Zimmer und kniete mich
neben die Leiche auf die hellen Dielen. Annettes hübscher Hals war von
rot-violett schimmernden Würgemalen entstellt. Einzelne Blutergüsse ohne
Abschürfungen. Da hatte jemand mit bloßen Händen zugelangt.
    »He, Sie da!«, brüllte es aus zwei verschiedenen Richtungen
gleichzeitig. Nagels Interviewer rührte sich nicht von der Stelle, fuchtelte
bloß mit den Händen, als könne er mich wie eine Schmeißfliege vertreiben. Sein
Kollege kam mit großen Schritten herbeigeeilt und packte mich beim Arm.
    »Sind Sie taub?«,
herrschte er mich an. »Raus hier!«
    Annette Nierzwa war erwürgt worden. Die Wunde an der Stirn
war nie und nimmer tödlich gewesen, und sonst entdeckte ich keine Verletzungen.
Ihr Mund stand leicht offen, ein wenig Speichel war auf die Dielen geflossen. Aus
den weit aufgesperrten Augen sprachen Entsetzen und Todesangst. An der
Innenseite ihres linken Unterarms trug sie eine kleine Tätowierung in Form
eines Schmetterlings.
    All das registrierte ich, während ich mich langsam
aufrichtete und versuchte, meinen schmerzenden Ellenbogen dem Griff des Beamten
zu entziehen. Räuspernd wandte ichmich ihm zu.
    »Ich habe eine Aussage zu machen«, sagte ich voll Würde.
    »Wie bitte?« Er war so verblüfft, dass er mich losließ.
    »Ich habe eine Aussage zu machen. Diese Frau ist mir
persönlich bekannt. Ich kann Ihnen ihren Namen sagen.«
    »Den kennen wir!«, brüllte der Polizist. »Den kennen wir
längst. Raus mit Ihnen, Sie vernichten hier Spuren!«
    »Annette Nierzwa«, sagte ich unbeeindruckt. »Eine junge Frau,
die unten an der Theatergarderobe …«
    »Raus!« Er packte wieder zu und zog mich zur Tür.
    »Sie hat meinen Mantel entgegengenommen. Persönlich, vor der
Vorstellung, verstehen Sie? Da hat sie noch gelebt.«
    »Die sind balla balla hier«, stöhnte der Polizist, nachdem er
mich endlich aus dem Zimmer bugsiert hatte. »Alle!«
    »Das wird ein Nachspiel haben«, sagte der beleibte
Musikdirektor finster. »So etwas lasse ich über mein Haus nicht sagen. Das
nicht, mein Herr!«
    Einige Minuten später
wurden die Rufe des Beamten nach Verstärkung erhört. Eine ganze Mannschaft
rückte an: Kriminaltechniker, Kripo, Zivile und Uniformierte. Der Ärger war
vorprogrammiert. Die Spurensicherer beschwerten sich über die vielen Gaffer,
die Gaffer meckerten über die Polizei, die beiden aus dem Streifenwagen klagten
über die Verspätung und wurden umgehend aufgeklärt, was sie hätten tun und
lassen sollen. Das Stockwerk räumen zum Beispiel, den Tatort großräumig
sichern, sämtliche Zeugen möglichst weit weg vom Fundort der Leiche
zusammenpferchen; das wäre ihre Aufgabe gewesen.
    »Zu zweit?«, blaffte der
eine Polizist zurück, und er hatte recht. Mitten in dem ganzen Trubel stand der
dicke Generalmusikdirektor, plusterte sich auf und verlangte den
Verantwortlichen zu sprechen. Auf der Stelle.
    »Ich höre«, sagte ein etwas ungepflegt wirkender Mann mit
gelblichem Teint und schütterem Haar. Von allen schlecht gelaunten Menschen vor
Ort war er der am schlechtesten Gelaunte.
    »Sie sind hier zuständig?«, fragte Barth-Hufelang ungläubig.
    »Ich leite die Ermittlungen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Dann möchte ich Sie
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