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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt
Autoren: Marcus Imbsweiler
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dagegen. Das Stimmengewirr draußen war nur noch gedämpft zu
vernehmen.
    »Danke«, sagte Marc und atmete tief durch. »Danke, dass du
gekommen bist.«
    Noch nie hatte ich ihn so abgekämpft gesehen. Seine Stirn
glänzte von Schweiß, sein Gesicht war bleich und fleckig, das Haar zerzaust.
Mit einer Hand fuhr er sich über die Augen, seine Zunge befeuchtete die spröden
Li ppen. Um den Mann musste man sich Sorgen
machen.
    »Kein Problem«, sagte
ich. »Man hilft doch gerne.«
    Ausdruckslos sah er mich
an. »Sie liegt in Bernds Zimmer.«
    »Wer? Die Tote?«
    Er begann, in dem kleinen Raum hin- und herzulaufen. »Annette
Nierzwa heißt sie. Seine Ex-Freundin. Sie … Wir waren in der Figaro- Premiere,
Bernd und ich. Annette arbeitet an der Garderobe. Nicht regelmäßig, aber heute
war sie da. Und er hat sie gefunden, in seinem Zimmer, gleich nach
Vorstellungsende. Ihre Stirn … die ist voll Blut.« Er sah auf. »Verstehst du?«
    Ich setzte mich auf einen der Stühle und dachte nach. »Nein«,
sagte ich schließlich. »Verstehe ich nicht.«
    »Spreche ich undeutlich?«, rief er erregt. »Soll ich es noch
mal erzählen?«
    »Ich verstehe nicht, was ich hier soll. Warum du mich
herzitiert hast.«
    »Hergebeten«, verbesserte er. »Es war bloß eine Bitte.
Verdammt, Max, soll vielleicht die Polizei …?«
    »Dazu ist sie da. Bei Mord kommt die Polizei. Wenn es Mord
war.«
    »Kapierst du nicht? Hier geht es um einen Freund, um einen
guten Bekannten.«
    »Schon, aber was könnte ich tun, was die Polizei nicht viel
besser …?«
    »Pass auf«, unterbrach er mich hastig. »Es war so: Gleich
nach der Vorstellung ging Bernd hoch in sein Zimmer. Ich kam erst einige
Minuten später nach. Und sehe ihn neben Annette knien, leichenblass, wie
weggetreten. Ich spreche ihn an; nichts. Plötzlich steht der Hausmeister in der
Tür und zetert rum, der Idiot.«
    »Und dann?«
    »Ich habe ihn zur Pforte geschickt, um Zeit zu gewinnen;
sagte ihm, wir sollten das Telefon im Zimmer besser nicht benutzen. Sobald er
fort war, rief ich dich vom Handy aus an.«
    »Ach so.« Allmählich verstand ich.
    Covet hob verzweifelt die Schultern. »Was werden die Bullen
wohl denken? Eine Frau, mit der Bernd einmal zusammen war, liegt tot in seinem
Zimmer. Und wer findet sie? Er selbst.«
    »Beziehungsweise du ihn, wie er fassungslos neben der Leiche
kniet.« Ich nickte. »Nun fragst du dich, ob er es war, der sie …«
    »Nein!«, rief Covet. »Auf keinen Fall. Bernd nicht, niemals.
Trotzdem, jeder wird ihn verdächtigen, ist doch klar.«
    »Wenn er es nicht war, wird man das herausfinden. Da brauchst
du dir keine Sorgen zu machen.«
    »Es geht auch nicht um die paar Minuten, die er vor mir hier
oben war. Darum nicht.«
    »Sondern?«
    »Es gibt noch ein anderes Problem. Die Premiere.«
    Ich schwieg.
    »Wie gesagt, wir saßen beide in der Vorstellung. Nur dass
Bernd seinen Platz zwischendrin verlassen hat. Für längere Zeit.«
    »Wie lange?«
    »Eine Dreiviertelstunde mindestens.«
    Ich pfiff leise vor mich hin. »So lange? Was hat er in dieser
Zeit gemacht?«
    Covet zuckte die Achseln. »Ich habe ihn nicht gefragt.«
    Wir schwiegen einen Moment, dann sprach er weiter. »Bernd kam
ein wenig zu spät zur Aufführung und setzte sich auf einen dieser Klappsitze
nahe der Tür. Eigentlich hatten wir Plätze nebeneinander. Es ist also möglich,
dass kaum einer sein Wegbleiben bemerkt hat. Außer mir. Jedenfalls … Wenn ich
tatsächlich der Einzige wäre …« Er sah mich erwartungsvoll an.
    »Träum weiter«, sagte ich. »So etwas fällt auf. Du glaubst
doch nicht, dass in der Oper ständig auf die Bühne gestarrt wird. Bloß keine
falsche Zeugenaussage, sonst kommst du in Teufels Küche.«
    »Wusste gar nicht, dass du so gesetzestreu bist«, brummte er.
    »Bin ich nicht. Nur ein bisschen ängstlich. Und deshalb
verrate mir, welche Rolle ich in diesem Stück übernehmen soll. Hier ist die
Polizei zuständig, das weißt du.«
    »Du könntest zusätzlich
ermitteln. In andere Richtungen, andere Spuren verfolgen. Die Polizei wird
Bernd verdächtigen, das war mein erster Gedanke, als ich Annette da liegen sah.
Aber Bernd war es nicht, damit brauchst du dich nicht aufzuhalten.«
    »Ach so. Ermitteln mit Vorgabe. Scheuklappen auf und durch.«
    »Mir egal, wie du es nennst, aber tu was«, beschwor er mich.
»Wir haben nur die eine Chance, Max. Die Kripo ist noch nicht im Haus, du hast
alle Informationen, die du brauchst …
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