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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt
Autoren: Marcus Imbsweiler
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tätschelte ihm aufmunternd den Rücken.
    »Und?«, fragte er.
    Nagel wandte ihm langsam das Gesicht zu. Er litt, aber selbst
dieses Leiden war schön anzusehen.
    »Scheiße«, sagte er.
    Marc presste die Lippen zusammen.
    »Das ist …«, begann Nagel, verstummte und drehte sich weg.
    Marc senkte den Kopf. Seine rechte Hand blieb auf Nagels
Schulterblatt liegen.
    Gähnend drückte ich ein paar Klaviertasten. Man merkte, dass
man sich in einem Theater befand. Jeder schauspielerte, was das Zeug hielt.
Faust und Hamlet. Große Gefühle, hehre Gesten, edle Menschen. Meine Finger
machten sich selbstständig und purzelten auf die Tasten nieder. Von den Tönen
aufgeschreckt, schauten Nagel und Covet zu mir herüber.
    »Das ist Max«, sagte Marc. »Max Koller. Ein alter Freund.
Außerdem Privatdetektiv.«
    Nagel nickte mir kurz zu.
    »Sie war Ihre Freundin?«, fragte ich. »Mein Beileid.«
    »Ex-Freundin«, sagte Nagel. Dann hob er plötzlich den Kopf.
»Was sind Sie? Privatdetektiv?«
    »Bin ich.«
    Er starrte Marc an. »Ist das jetzt ein Zufall oder was?«
    »Ich habe ihn angerufen«, erklärte Covet. »Damit er sich hier
ein wenig umschaut. Vielleicht entdeckt er Dinge, die der Polizei entgehen.«
    Nagel warf mir einen ungläubigen Blick zu. Verdenken konnte
ich es ihm nicht. Ich wirkte nicht gerade wie ein Mann, der eine komplette
Sonderkommission in den Schatten stellt.
    »Ist das … ich meine, ist das legal?«, wollte der
Geschäftsführer wissen. »Dazu ist doch die Polizei da, und ich weiß nicht
recht, was ein …«
    »Die Polizei«, sagte Marc, »wird sich nur auf das Nächstliegende
stürzen. Da könnte es Sinn machen, noch jemanden einzubeziehen, der auch andere
Wege verfolgt.«
    »Das Nächstliegende? Was
soll denn das heißen?«
    Entweder war Bernd Nagel schwer von Begriff, oder es stank
ihm, dass sein Kumpel so um den heißen Brei herumredete.
    »Das Naheliegende«, sagte ich ruhig, »ist eine schlichte
Frage: Wo haben Sie sich heute Abend zwischen acht und elf herumgetrieben?«
    Da sperrte er Mund und Augen auf, der Gute. »Bitte?«,
stotterte er. »Heute Abend? Ich war in der Premiere.«
    »Haben Sie das zu Protokoll gegeben?«
    »Natürlich.«
    »Bernd«, beschwor ihn Covet leise. »Ich habe es ihm erzählt,
verstehst du?«
    Nagel schluckte. Er ging zum Fenster und schaute hinaus in
die Dunkelheit. Eine Ader an seinem Hals trat hervor. »Musste das sein?«,
fragte er schließlich.
    »Es kommt doch sowieso raus«, antwortete ich an Covets statt.
Für wie blöde hielt dieser Mensch eigentlich Kriminalbeamte? »Besser, Sie sagen
von Anfang an die Wahrheit. Das macht Sie weniger verdächtig.«
    »Danke für den Tipp«, fauchte er und funkelte mich böse über
die Schulter an.
    »Gern geschehen. Ist sogar honorarfrei. Und? Wo waren Sie
nun?«
    Nagel drehte sich um und warf seinem Freund Covet einen
wütenden Blick zu. Marc machte eine entschuldigende Geste, die mich ärgerte.
Seit wann genossen Musikmenschen das Privileg, mit Samthandschuhen angefasst zu
werden?
    Bevor Nagel antworten konnte, füllte sich der Türrahmen
wieder mit den Umrissen des Rottweilers. Seine dunklen Äuglein fixierten mich.
Wir saßen mucksmäuschenstill da, Schlachtvieh auf dem Weg in die Pelle. Dann
hob er langsam eine Hand, fuhr ebenso langsam seinen Zeigefinger aus und stieß
plötzlich zu.
    »Sie«, sagte er. »Sie sind dran.«
    Folgsam erhob ich mich. »Wie schade«, sagte ich im
Hinausgehen, »dass unser gemeinsamer Opernbesuch so enden musste. Nicht wahr,
Marc?«
    Covet sah mich groß an, dann nickte er hastig.
    Die Befragung fand auf dem Flur statt, im Stehen. Ich sah den
Kollegen des Rottweilers auf den Grafen einreden, während der Typ im
Arbeitskittel von einem Uniformierten interviewt wurde. Durch das Treppenhaus
hallte der Jubel des Gartenzwergs auf dem Weg nach Waldwimmersbach.
    Mein schwarzhaariger Begleiter blätterte in seinem Notizbuch.
Dann zog er eine Lesebrille aus der Manteltasche und setzte sie auf. Ein
Rottweiler mit Lesebrille, man lernt nie aus.
    »Name?«
    »Max Koller.«
    Er schrieb.
    »Mit Doppel-L«, sagte ich. »Und zwar der Koller. Nicht der
Max.«
    Er hielt inne und schenkte mir einen langen, stummen Blick
über den Brillenrand. Ich lächelte ihn an. Der Typ war jünger als ich, aber
weitsichtig.
    »Adresse? Telefonnummer?«
    Ich nannte sie ihm. Anschließend wollte er meine
Staatsangehörigkeit wissen, mein Alter und zuletzt meinen Beruf. Der Notizblock
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