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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung!
Autoren: Gisela A. Erler
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von Geschlechterstereotypen von Frauen geleistet – ohne dass dies programmatisch bewusst so angelegt war. Es war vielmehr eine Folge geringer finanzieller Mittel und der Tatsache, dass wir ein Frauenunternehmen waren.
    Es kam dann zwischenzeitlich zu Krisen und Konflikten in diesem Bereich. Eine Zeit lang schien es so, als ob wir unseren eigenen weiblich geprägten Entwicklungspfad wie die Kinderkrankheit eines noch nicht ganz reifen Unternehmens betrachten und statt dessen die gängigen Ansätze und Modelle von Datenbanken übernehmen müssten, obwohl diese viel längere Umsetzungszeiten und damit Kosten erfordern und eine sehr viel geringere Flexibilität ermöglichen. Diese Krise im IT- Bereich ging einher mit der Phase, in der wir verstärkt Männer in viele Bereiche integrierten, was eine ganz neue Herausforderung für unser Unternehmen bedeutete. Und noch sind wir nicht am Ende dieses notwendigen Strukturwandels – es gelingt uns aber allmählich, die Denkmodelle zu versöhnen.
    Viele Ehemänner oder Lebenspartner unserer Kolleginnen waren höhere Angestellte in großen Unternehmen und beäugten die Praktiken unserer rasch wachsenden Firma mit wohlwollender Skepsis. Dass ihre Frauen ein Unternehmen aufbauten, das sich so dramatisch von anderen Unternehmenskulturen unterschied, dabei sogar wirtschaftlich erfolgreich war und sich langfristig als Marktführer behaupten konnte, führte zu hitzigen Debatten. Es bewirkte allerdings auch, dass viele männliche Partner unsere Erfolge hartnäckig eher dem Zufall, dem Glück der ersten Stunde, nicht aber unseren Praktiken oder Kompetenzen zuschrieben, und der Ansicht waren, es werde schon die Zeit kommen, in der sich alles ändern und die Firma »normal« werden müsse. Und es führte dazu, dass viele Kolleginnen selbst der Ansicht waren, dezentrale Entscheidungen, unsere Prinzipien des unbedingten Vertrauens, der guten Laune, der offenen Strukturen und Projekte seien wahrscheinlich Zeichen von Unreife.
    Genau das aber ist die zentrale Zukunftsfrage für unser Unternehmen: Was sind eigentlich die Kernpunkte der bisherigen weiblich bestimmten Unternehmenskultur? Wie weit sind sie tragfähig und produktiv für eine Zukunft, in der das Unternehmen vielleicht noch größer sein und ganz sicher mehr männliche Kollegen beschäftigen wird? Und wie weit sind sie sogar unverzichtbar, wenn wir uns behaupten wollen?
    Gemeinschaftsgefühl und soziale Unterstützung
    Im Rückblick liegt aus meiner Sicht der stärkste Motor für unseren Erfolg in unserer gemeinsam gelebten Vision, einer erfahrbaren Sinnorientierung, einer starken Teamkultur und in dem Gefühl, einen echten Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten – zumindest für Kinder und Familien, aber auch für die Wirtschaft. Zweimal im Jahr trafen sich zu Beginn alle Mitarbeiterinnen im Lufthansa-Schulungszentrum in Seeheim, um miteinander zu lernen, zu diskutieren, sich auszutauschen und zu feiern. Die Kolleginnen spürten dort nicht nur, dass wir viele waren und ständig wuchsen – sie ließen sich von den persönlichen Berichten über neue Ideen, Erfolge und Probleme auch inspirieren. Sie erlebten das Zusammensein mit so vielen Frauen eben nicht als das, was sie oft befürchtet hatten: als gefühlsduselige Weiberwirtschaft voller Intrigen, als ineffektive Zeitverschwendung mit zu wenig Lerngelegenheiten; vielmehr waren die Treffen voller neuer Erkenntnisse, bis zu zwölf Stunden am Tag – neue Freundschaften, Begegnungen, der Austausch über die Lebensgeschichten, Kinder, Ehemänner fanden am Rande statt. Es war eine Art explosiver Veränderungskultur, die Lernen und Lachen, Kopf und Gefühl verknüpfte. In dem Wissen, dass Frauen dazu neigen, sich in Emotionen zu verlieren, um dann genau darüber unzufrieden zu sein, hatten wir uns für ein Format entschieden, das eben nicht die persönlichen Beziehungen thematisierte, sondern die neue Software, die Gesetze zur Tagespflege, Kunden- und Arbeitsverträge etc. Es gab so vieles, was in rascher Folge aufbereitet und verarbeitet werden musste, denn wir eroberten und gestalteten ja gemeinsam ganze Kontinente von neuem Fachwissen. Vorbereitet und vorgetragen wurde dieses nötige Fachwissen jeweils von Kolleginnen unserer eigenen Standorte – nach dem Prinzip, dass die Frauen sehr schnell zu Expertinnen auf ihren Arbeitsgebieten werden
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