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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung!
Autoren: Gisela A. Erler
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wirkende – Unterstützung für ganz verschiedene private Lebenslagen zum Ausdruck. Wir fördern zwar nicht den langen Ausstieg unserer vielen Mütter – dafür brauchen wir sie viel zu dringend –, meist ermuntern wir sie, schon nach wenigen Monaten wieder zurückzukommen. Auf Fernpartnerschaften aber wird Rücksicht genommen; und wenn eine Frau einen Kinderwunsch hat und deswegen mehr Zeit und Entspannung oder Reisegelegenheit braucht, um schwanger zu werden, kann sie dies anmelden. Die Geburtenrate in dieser Firma ist extrem hoch. Bei Beziehungskrisen, Geldsorgen, finanziellen Engpässen und in wachsendem Maß auch bei Pflegebedürftigkeit von Angehörigen stellen wir unsere eigenen Dienstleistungen unentgeltlich zur Verfügung.
    Es ist dabei keineswegs eine Kultur der Bequemlichkeit, die wir fördern. Wir haben vielmehr oft Phasen extremer Belastung und auch Überlastung durchzustehen; es gab schon Zeiten, in denen ein junges Team wochenlang kaum zum Schlafen kam, um ein Projekt wie versprochen auf die Beine zu stellen. Viele arbeiten ständig mehr, als eigentlich in ihrem Vertrag steht, ohne ihre Überstunden bezahlt zu bekommen, denn die Budgets sind gedeckelt. Wir müssen neue Ausschreibungen gewinnen, um den Verlust wichtiger Kunden an neue Wettbewerber bei Ausschreibungen zu verhindern, ganz wie andere Unternehmen auch. Die Zeiten, wo große Unternehmensverträge auf Zuruf und nach Sympathie vergeben werden konnten, wie das noch vor zwanzig Jahren der Fall war, sind ein für alle Mal vorüber.
    Bei uns herrscht auch im Arbeitsalltag keine Trennung zwischen harter »objektiver« Arbeit hier, Teamgeist und Betriebsfest dort. Das ist unter Frauen niemals der Fall, für sie sind auch im Alltag, ob beim Telefondienst, der Suche nach einer passenden Kinderfrau, beim Organisieren eines Ferienprogramms oder der Vorbereitung einer Präsentation immer persönliche Elemente dabei – das kleine Wort über die Kopfschmerzen, das Wahrnehmen eines Schattens im Gesicht, der Kurzbericht über den Streit mit dem Liebsten am Wochenende stehen nicht im Gegensatz zur Leistung, sondern sind in einer Frauenkultur untrennbar mit ihr verknüpft, und zwar für die allermeisten Kolleginnen. In einem solchen Mikroklima wird sogar besonders schnell gearbeitet – das Lächeln, die kleinen Späße, die Anteil nehmende Reaktion blockieren nicht etwa die Effektivität, sondern machen sie erst möglich. Der kleine Kommentar über die Befindlichkeit lenkt nicht ab, sondern läuft im Gehirn parallel zur Sachfrage über einen Gesetzesparagrafen zum Datenschutz; in diesem Modus der Gemeinsamkeit und gegenseitiger Wahrnehmung werfen Frauen sich rasch Gedanken zu, tauschen sie aus, wandern Ideen zweimal geschwind im Kreis, um dann plötzlich an einer ganz bestimmten, und zwar der richtigen Stelle zu landen. Was für Männer an solch einer Kommunikation oft diffus, zirkulär und ungerichtet wirkt, als geschwätzig und vom »Eigentlichen« wegführende Störung empfunden wird, ist also oft höchst effektiv und auch schnell. Das Persönliche ist für Frauen gewissermaßen der Humus, in dem die Arbeitsprozesse besser gedeihen.
    Dieses unterschiedliche Herangehen an Aufgaben in einer Frauen- oder Männerkultur bleibt nicht ohne Folgen. Männer, die als Einzelne in einem solchen System agieren, werden von ihren Kolleginnen oft als langsam, begriffsstutzig und umständlich erfahren und sind es dann auch. Ihr eigener männlicher Weg zur Problemlösung wäre ein anderer, scheinbar direkterer, jedenfalls würde er die Schleifen der persönlichen Interaktion und Wahrnehmung 4 weitgehend auslassen, dafür ist er aber häufig weniger pragmatisch.
    Der Versuch, Professionalität von Frauen ohne Beziehungsdimension zu definieren und zu gestalten, ist zwecklos und kontraproduktiv. Unbestreitbar aber ist, dass die persönliche Ebene unter Frauen auch am Arbeitsplatz das Potenzial zu extrem schädlichen, anstrengenden, destruktiven und bösartigen Konflikten in sich birgt. Alle Klischees über Frauen, die einander sabotieren, hintergehen, mit Gerüchten demontieren, anfeinden, schneiden, ausschließen, ablehnen sind vollständig zutreffend. Alle diese Muster bilden sich, zumindest teilweise, auch in einer Frauenkultur heraus – nach der ersten Aufbruchszeit, dann, wenn es um Neubesetzungen von Positionen,
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