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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung!
Autoren: Gisela A. Erler
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seien es Frauen oder Männer, Nationalitäten oder Religionen hat primär mit falschen Strukturen und weniger mit Versagen, mit mangelnder Kompetenz einzelner zu tun. Talente und Begabungen sind immer breit über die Gesamtbevölkerung verteilt, Dummheit oder Antriebslosigkeit vererben sich, wenn überhaupt, dann sozial. Über Erfolg oder Scheitern entscheiden nicht nur (aber auch) konkrete Bedingungen: Einkommen, Kindergärten, Ganztagsschulen, gute Betreuung pflegebedürftiger Menschen; entscheidend aber ist, ob es gelingt, mit Angeboten, Anforderungen und Anreizen Motivationen zu mobilisieren: Diese müssen die inneren Orientierungen und Werten derer ansprechen, die sie erreichen wollen – und daran, so meine Kernthese, mangelt es. Der umgekehrte Versuch, grundlegende Motivationen an Strukturen anzupassen, endet hingegen häufig im Misserfolg.
    Eine solche These mag noch zu wenig differenziert sein, sie lässt auch etliches, was ihr zu widersprechen scheint, erst einmal außen vor. Aber sie hat mir geholfen, das Scheitern vieler gut gemeinter Versuche, Frauen für die Führungsspitzen von Unternehmen zu gewinnen, zu erklären und, hoffentlich, Anstöße für erfolgreichere Strategien zu entwickeln. Denn das ist mein Ziel: Wir haben die reale Gleichstellung auf allen Ebenen noch lange nicht erreicht, wir könnten sie aber deutlich beflügeln, wenn wir das, was die Menschen antreibt, reizt und motiviert, was ihnen Freude macht und sie anspornt, wirklich ernst nehmen. Die Schaffung des neuen Menschen von oben oder von außen kann nicht Ausgangspunkt von Politik sein. Veränderungsmut ist gefordert, auf der Basis des Respekts vor dem, was die Menschen mitbringen, als Frauen oder Männer; neue Horizonte erschließen, indem neue Erfahrungen miteinander gemacht werden können, an denen beide Geschlechter – oftmals – mehr Gefallen finden als am Alten.
    Damit komme ich zurück zu einigen heftigen Debatten der 1 960 er-, 1 970 er- und der frühen 1 980 er-Jahre, die viele der heutigen jüngeren Leserinnen und Leser gar nicht mehr kennen. Ich habe 1 985 mit meinem Buch Frauenzimmer – für eine Politik des Unterschieds und 1 987 mit dem Müttermanifest der Partei der Grünen intensiv zu dieser Diskussion beigetragen und fand mich mit meiner Position zwischen allen Fronten wieder. Alice Schwarzer hatte sich 1 975 unendlich verdient gemacht mit ihrem Buch Der kleine Unterschied , in dem sie die Gebärfähigkeit der Frau zum einzig tatsächlichen Unterschied zwischen Frauen und Männern erklärte. Das Buch trug dazu bei, Frauen endlich alle grundlegenden Kompetenzen zu attestieren, über die auch Männer verfügen. Doch mit meinem Müttermanifest , das in heftigen Kontroversen mit vielen »grünen« Frauen entstand, tat sich unter den Frauen ein tiefer Graben auf, der unüberbrückbar erschien. Meine Aussage, dass Mutterschaft nicht nur Last, sondern auch Lust bedeutet, meine Kritik an der Arbeitswelt und den Karrierepfaden vieler Frauen (»Die Karrierefrauen in ihrem Aquarium«) wurde als »rückwärtsgewandt« und »biologistisch« verdammt, weil ich damals schon über Forschungen berichtet hatte, die das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Frauen und Männern nicht als ewig sich wiederholendes chauvinistisches Ritual, sondern als neurobiologische verankerte Differenz sahen. Inzwischen wissen wir viel mehr über solche neurobiologischen oder biochemischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Sie besagen allerdings keineswegs, dass Frauen oder Männer bestimmte Tätigkeiten jenseits von Schwangerschaft und Geburt nicht ausüben können, sondern nur, dass sie vieles mit unterschiedlichen inneren Strategien tun.
    Heute klingen diese Debatten wie ein Echo aus einer fernen Zeit, die Heftigkeit, mit der sie damals ausgetragen wurden, erscheint kaum mehr verständlich; vieles, wenn auch nicht alles, ist in allgemeinen Konsens übergegangen. Nicht wenige Frauen aus meiner Generation halten das für »gegessen«, für »alte Kamellen«, über die doch längst alles gesagt sei. Und junge Menschen, mit denen ich über dieses Buch diskutiert habe, meinen, meine Sichtweise auf die beiden Geschlechter bei diesem Thema sei höchst altmodisch und gefährlich: Junge Männer von heute seien viel kommunikativer als früher, Mädchen viel rücksichtsloser und
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