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Schluss mit der Umerziehung!

Schluss mit der Umerziehung!

Titel: Schluss mit der Umerziehung!
Autoren: Gisela A. Erler
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mussten, und es in erstaunlichem Umfang auch wurden.
    Die Erlebnisse waren so intensiv, die Ausstrahlung der Firma so stark, dass bisweilen von außen gemunkelt wurde, beim Familienservice handle es sich um eine Art Sekte. Aber hier fand keine Gehirnwäsche statt, sondern das Gegenteil: Wissen, Kompetenz, Entscheidungsfähigkeit jeder Einzelnen wuchsen im Eiltempo. In anderer Hinsicht jedoch traf das Gerücht zu: Es entstand ein starkes Gemeinschaftsgefühl für eine gemeinsame Sache. Gemeinsame große Gefühle bieten eine wichtige Brücke zur Verständigung – gerade unter Frauen.
    Eine solche Kraftkur ist heute viel schwerer herbeizuzaubern. Das Unternehmen ist inzwischen mit über 1300 festen Angestellten zu groß für ein gemeinsames Erlebnis dieser Art – und es wäre in dieser Form auch nicht mehr effektiv. Die Wissensvermittlung ist aufgrund der Größe der Firma teilweise ins Internet abgewandert. Persönliche Treffen sind kleiner, und Telefonkonferenzen ersetzen nicht die starke Gemeinschaftserfahrung der Aufbauphase. Noch haben wir nicht den richtigen Ersatz für ein solches machtvolles Erleben gefunden. Wir suchen noch. Denn ohne solche Formen der erlebten Rückbindung an das »Ganze«, ohne Vergewisserung mit den anderen, ist es schwieriger, entstehende Interessenskonflikte zwischen Regionen und Projekten, aber auch persönliche Unstimmigkeiten klug zu bearbeiten.
    Das fällt manchmal schwer, besonders wenn es darum geht, zwischen Standorten oder Produktbereichen Hilfestellung zu leisten. Hier existiert ein ständiges Spannungsfeld, das sich meist an der Frage entzündet, was gegenseitig finanziell berechnet und verrechnet werden muss oder kann – zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet, zwischen Frankfurt und der Zentrale usw. – und was gewissermaßen auf das Konto der Solidarität zu buchen ist, eine Verteilung, die immer wieder neu ausbalanciert werden muss. Denn das Gespür für Fairness ist ausgeprägt, die Empfindlichkeit von Frauen groß, wenn es um reale oder vermeintliche Benachteiligungen geht. Wettbewerb in einer Frauenkultur bedeutet auch hier, nicht unbedingt mehr zu bekommen – es bedeutet vor allem, nicht benachteiligt zu werden.
    Die größte Gefahr für die zukünftige Stärke unseres Frauenunternehmens liegt darin, diesen positiven Zusammenhalt und die Bereitschaft zur Unterstützung langsam zu verlieren, die am Anfang an den einzelnen Standorten ganz selbstverständlich waren. Es kennen sich nicht mehr alle Kolleginnen, es gibt viele unterschiedliche Aufgabenbereiche: die Mitarbeiterin einer Kinderkrippe in Westfalen weiß nicht wirklich viel über die Inhalte und Arbeitsweisen der Serviceagentur im »Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser«. Die Zentrale in Berlin sollte, wie alle Zentralen, vorwiegend als Dienstleistung fungieren – und wird doch, wie alle Zentralen, oft eher als fragwürdiger Überbau erlebt. Hier ist von der Geschäftsführung aus die Kunst der Selbstbegrenzung und der ständigen Hinterfragung nötig: Was muss wirklich zentral behandelt werden? Was kann und muss weiterhin dezentral entschieden werden? Meine persönliche Meinung tendiert dahin, mithilfe der Technologien, Telefonkonferenzen, Foren und des Intranets die Fähigkeit zu dezentraler Autonomie weiter zu fördern, weil nur eigene Entscheidungsfreiheit die Kreativität von Frauen – wie auch Männern – wirklich zutage bringt.
    Der Humus des Persönlichen
    Die Basis unserer Firmenkultur sind Frauenteams mit hoher autonomer Entscheidungskompetenz, flacher Hierarchie, keiner rigiden Arbeitsteilung – Teams, die zugleich den Auftrag haben, für den wirtschaftlichen Erfolg in ihrem Bereich und die gute Stimmung ihrer Mitarbeiterinnen zu sorgen. Privates ist zulässig, die Gestaltung des Arbeitstages – so weit möglich – nach den Erfordernissen auch des Privatlebens eine Selbstverständlichkeit, gelegentliche Heimarbeit üblich. Dabei allerdings ist zu beachten: Viele Kolleginnen gehen gern ins Büro, Heimarbeit ist für die meisten nur eine attraktive Ergänzung zum Büroalltag mit den Kolleginnen. Wer Kinder hat, möchte dem Alltag entfliehen. Junge Singles suchen die Abwechslung bei den Kollegen.
    Den Respekt für die privaten Lebensumstände aber bringen wir auch durch unsere – für Außenstehende manchmal vielleicht bizarr
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