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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition)
Autoren: Liv Abigail
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kein übler Atem war, blies er ihr – einem gottlosen Geschöpf, wenn auch inzwischen g e duldet in Heiligen Mauern –, bedrohlich ins Gesicht.
    Cera presste sich das Bündel, das sie bei sich trug, fest vor die Brust und ging weiter, ohne ihren Schritt zu beschleunigen oder sich ein weiteres Mal umzusehen. D ie schmale Peter’s Hill pres s te sich zwischen zwei klobigen Backsteinbauten hindurch. Der rechte besaß weiß getünchte, vergitterte Fenster, den linken, in Urgestalt den Bomben zum Opfer gefallen, hatte man modern wiederaufg e baut, mit großen Fensterfronten. Panzerglas, vermutete sie, alles a n dere wäre eine Torheit in diesen unsicheren Zeiten. Obgleich sich in be i den Gebäuden gut besuchte Restaurants, lauschige Cafés und s o gar eine Tanzschule befanden, aus der schwatzende Mädchen mit Zö p fen und Spitzenschuhen über den Schultern heraus gehopst k a men, fühlte Cera sich, als durchschritte sie eine finstere Schlucht. Sie atm e te tief ein, erwischte sich bei dieser unnötigen Geste und schalt sich eine Närrin. So trat sie die Treppenstufen in eine sanfte Senke hinab, wich zwei spielerisch rangelnden Jugendlichen aus und en t deckte die Buchhandlung, die die alte Frau ihr genannt hatte. Sie musste sich korrigieren: Von der die alte Frau behauptet hatte, dass man sie gleich wieder hinauswerfen würde. Cera zwang sich ein unverbindl i ches Lächeln auf die Lippen. Das wollte sie doch mal sehen.
    „ Beazeley’s Books“ stand in eleganten, unverschnörkelten Me s singbuchstaben über der Tür des Geschäftes, das sich zwischen ein Café und ein angrenzendes Bürogebäude quetschte wie ein nervöses Kind in die Lücke zwischen seinen großen Brüdern.
    Cera öffnete die Tür, ohne zu zögern.
    Die Begrüßung war … speziell, aber das hatte sie erwartet.
    „ Ach du Sch…ande. Sie?“ Der Buchhändler sprang auf, riss ein Notizbuch an sich und hielt es sich vor den Schritt. Er fluchte ä u ßerst ungalant, klappte das Notizbuch auf, um eine größere Fläche zu bekommen, und hielt es sich erneut vor die Hose. Cera schloss die Tür hinter sich. Das hatte sie nun wirklich nicht erwartet. Dem Buchhändler war offenbar ein Missgeschick passiert, darauf ließ der dunkle Fleck vor seinem Gemächt schließen. Aber war es nicht höchst sonderbar, dass jene Art von Missgeschicken erwachsenen Männern passierten? Ausnahmefälle waren Betrunkene, Kranke und sehr alte Menschen. Der Buchhändler war eindeutig nichts von al l dem.
    Neugierig trat sie näher. Für einen Moment vergaß sie ihre gute Ausbildung und starrte direkt auf den Fleck. Dieses Malheur war zu interessant. Sie zog Luft ein und analysierte den Geruch in den olfa k torischen Filtern, die in ihrer Nase und ihrem Rachen lagen. Nein, kein Urin. Aber es konnte sich auch nicht ausschließlich um ein ve r schüttetes Getränk handeln, da war noch mehr. Ein Hauch von ve r branntem Papier. Asche? Dahinter nahm sie den herben Geruch des Mannes wahr, er roch ein wenig verschwitzt, entweder war er nervös oder hatte das Deodorant vergessen.
    „ Was wollen Sie hier?“, fragte er mit einem verärgerten Unterton in der Stimme.
    „ Ich möchte mich entschuldigen.“
    Was denn sonst? Menschen, die sie nicht kannte, waren jedes Mal eine enorme Herausforderung für Cera. Es gelang ihr einfach nicht, ihr Gebaren richtig einzuschätzen. Sie sah ihm wieder ins Gesicht. An seiner Unterlippe zeugte eine verharschte Platzwunde von ihrem letzten Zusammentreffen, und auch seine Nase wies noch ein paar blass-bläuliche Verfärbungen auf. Das war wahrhaft bedauerlich. Andererseits … Cera wusste, dass sie nicht schwächlich war, und wenn sie ganz ehrlich zu sich war, hatte sie mit schlimmeren Bless u ren gerechnet.
    Und da Cera zu Aufrichtigkeit erzogen worden war, sagte sie schlicht: „Es tut mir wirklich leid. Obgleich ich mit schlimmeren Blessuren gerechnet hatte.“
    Dem Buchhändler klappte der Unterkiefer herab. Ob der Schlag auf seinen Kopf Schaden angerichtet hatte? Erklärte eine Hirnbl u tung den Fleck in seinem Schritt? Das wäre schrecklich – sie hatte ihm keinesfalls ernsthaft Schaden zufügen wollen.
    „ Sie sind hergekommen, um mich zu verspotten?“, rief er, als sie ihn gerade besorgt darauf ansprechen wollte.
    „ Aber nein!“ Hatte sie ihn nun auch noch verärgert? Das lag im radikalen Gegensatz zu ihren Absichten. Die Dinge liefen nicht so, wie sie geplant hatte, ganz und gar nicht – wie unangenehm. „Ich möchte mich doch bloß
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