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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition)
Autoren: Liv Abigail
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an den Tresen, sodass die Armlehnen gegen das Holz stießen und seine Beine unter der Tisc h platte weitestgehend verborgen waren.
    „ Ich weiß nicht, was Sie meinen. Hier riecht es wie immer. Nach Staub, Papier und etwas Leim. Der Duft des Wissens.“ Und der grenzenlosen Langeweile.
    Sie schnüffelte erneut. „Also wie auch immer das Wissen riecht. Ich könnte schwören, es stinkt verbrannt.“ Sie blickte sich skeptisch und mit gekräuseltem Näschen um.
    Böse Falle. „Ach“, lachte Valender nervös, „das meinen Sie. N a türlich. Das muss die alte, schottische Lady sein, die die Wohnung in der ersten Etage gemietet hat. Lässt schon mal die Haferkekse a n brennen, die Gute. Sie sollten froh sein, dass sie keinen Haggis im Ofen hat.“
    „ Ich weiß nicht, Sir. Es riecht eher wie verkokeltes Papier.“
    „ Sorgen Sie sich nicht. Wir haben Rauchmelder angebracht.“ Durchaus, und genau dieser Umstand ließ ihm kalten Schweiß im Nacken ausbrechen. Hoffentlich reagierten die Apparaturen nicht auf faulen, unfreiwilligen Zauber. Himmel, Arsch und Zwirn – wenn sein Vater davon erfuhr! Rasch zog er einen Kugelschreiber und sein Moleskin heran. Bitte, flehte er das Notizbuch stumm an, bitte, bleib, was du bist. Doch offenbar hatte sein magischer Makel nur kurzze i tig für Strapazen gesorgt und sich nun wieder still in seinen Körper zurückgezogen, wo er auf die nächste unachtsame Sekunde lauerte. „Ich notiere Ihnen eine Buchhandlung, in der Sie Ihre Unterha l tungsliteratur bekommen.“ Er kritzelte eine Adresse auf, riss das Blatt aus dem Moleskin und beugte sich – so weit er konnte, ohne den Asche-Tee-Fleck sichtbar zu machen – über die Theke.
    „ Sie schicken mich zur Konkurrenz?“ Pink Lady wirkte ernsthaft verblüfft.
    Er wedelte hilflos mit dem Stück Papier. „Nehmen Sie schon. Der Kontakt zu unseren Mitbewerbern ist ganz außerordentlich.“ Auße r ordentlich zänkisch lautete die Wahrheit, aber wer war schon klei n lich, wenn er kurz davor stand, sich vor einer schönen Frau kolossal zu blamieren und seinen guten Ruf irreparabel zu ruinieren. Was wohl gesellschaftlich unakzeptabler war – eine nasse Hose oder spontane menschliche Selbstentflammung?
    „ Wie reizend von Ihnen, Mr Beazeley.“
    „ Keine Ursache, Madame, keine Ursache. Nun sputen Sie sich, die Konkurrenz schließt gleich die Pforten.“
    „ So früh? Es ist doch erst …“
    „ Nicht jeder bietet den Kunden Öffnungszeiten wie Beazeleys Books“, unterbrach er sie. „Beehren Sie uns doch bald wieder. Vie l leicht, wenn Sie einen auserlesenen literarischen Genuss für Ihren ehemaligen Hochschulprofessor suchen. Oder Zerstreuung für den Steuerberater. Oder“, ab hier murmelte er nur noch in sich hinein, „einen Wälzer, um deine künftige Schwiegermutter zu erschlagen. Nur hau endlich ab!“ Er räusperte sich, rief ihr ein „Auf baldiges Wiedersehen!“, hinterher und sank, kaum dass die Tür mit Glöc k chengebimmel ins Schloss gefallen war, erschöpft in seinem Sessel zusammen. Bitte, Gott. Gib mir eine Stunde ohne Kunde.
     
    ***
     
    Cera warf einen Blick über die Schulter und sah auf die metallisch schimmernde Uhr am Turm des Westschiffes der St. Paul’s Cathe d ral. Ihr blieben noch gute zwei Stunden bis zum nächsten Auftritt. Die Nervosität, die in jeder ihrer Fasern kribbelte, war unbegründet. Und doch nicht abzuschütteln. Wie verdrießlich.
    Sie eilte über den in konzentrischen Spiralen gepflasterten Hof und ließ das mächtige Eingangsportal mit seinen k orinth isch e n Säulen hi n ter sich. Diese blütenweiß gestrichene Kathedrale verunsicherte Cera. Wie konnten Fassaden so weiß bleiben, in einer Stadt voller Kohle n staub? Wie konnte es sein, dass die Kathedrale sich nach der Bo m bardierung vor wenigen Jahren längst wieder stolz und prall in den Himmel wölbte, während im nördlichen Teil der Stadt noch Menschen ohne Dächer lebten, weil kein Geld für den Wiederaufbau ihrer Viertel da war? Menschliche Entscheidungen waren oft so so n derbar. Aber bei dieser Kirche konnte sie auch nicht ausschließen, dass sie sich aus eigener Kraft aus ihren Trümmern erhoben hatte. Der Bau weckte Ehrfurcht in ihr, und die schweren, bleigrauen Wo l kenmassen, die dicht über der Kuppel hingen, als müssten sie sich darauf stützen, verstärkten das Unbehagen noch. Es war, als strah l ten die Steine, aus denen St . Paul’s errichtet war, eine kühle Präsenz aus. Als atmete das Gotteshaus, und obwohl es
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