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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition)
Autoren: Liv Abigail
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weiteren Grund hier, Sir. Ich habe, nach uns e rem Zusammenstoß“ – das Wort brachte seine Augen für einen wi n zigen Moment zum Grinsen – „Ihre Tasche an mich genommen.“
    Prompt verdunkelte sich seine Miene wieder, er sah zu ihr herüber wie aus einer Schießscharte hinaus.
    „ Lassen Sie mich erklären“, bat sie rasch. „Kurz nachdem ich Sie … Sie wissen schon … hörte ich Schritte im Keller. Ich erkannte, dass ich den falschen Mann erwischt hatte. Aber was einmal funkti o niert, klappt mit etwas Übung meist noch besser, und so beschloss ich, den zweiten Mann, meinen wahren Verfolger, auf die gleiche Weise niederzuschlagen. Leider war das Stück Holz an Ihrem G e sicht zerbrochen.“ Der Buchhändler betastete erschrocken seine N a se. „Ich brauchte also etwas anderes, um es ihm entgegen zu schle u dern.“ Cera öffnete ihren Ledermantel und ließ die Leinentasche an den Henkeln aus geflochtenem Seil vor sich hin- und herschwingen wie ein Pendel. „Ihre Bücher haben mein Leben gerettet, Sir.“
    Er murmelte etwas, das wie „eher Existenz“ klang, nahm ihr die Tasche mit spitzen Fingern ab und untersuchte sie mit kritischen Blicken.
    „ Es waren kaum Blutspritzer drauf und diese ließen sich leicht en t fernen“, beeilte sie sich zu sagen. „Eiskaltes Wasser und Soda. Ein Tipp von Mrs Keyman. Ich habe die Tasche gleich gereinigt, nac h dem ich Hilfe für Sie geholt hatte.“
    „ In Ordnung“, sagte der Buchhändler, legte die Tasche auf dem Tresen hinter sich ab, um sich erneut über die Stirn zu reiben. Dann sah er sie durchdringend an. „Ich werde auf eine Anzeige verzichten und die Angelegenheit vergessen. Ist noch etwas?“
    Cera war sich klar, dass es einen Unterschied gab zwischen einer angenommenen Entschuldigung und einer vergessenen Angelege n heit. Vielleicht hätte sie nun mit Ärger reagieren sollen – wenn es nach ihrer Mentorin, der stolzen Mrs Keyman, ging, ganz gewiss –, aber das Gefühl wollte sich nicht einstellen. Eher schien etwas Dunkles, Zähes ihre Empfindungen zu ummanteln. Eine Schicht aus Schlamm, in der Gefühle verdorben und ganz bitter wurden. Enttä u schung.
    Sie war kein Mensch und musste sich ihre Emotionen nicht von außen ansehen lassen, wenn sie das nicht wollte. Doch sich mit e i nem kühlen Lächeln abzuwenden, kam nicht infrage. So leicht würde sie diesen Buchhändler nicht davonkommen lassen. Und so setzte sie das bittere Gefühl um, übersetzte das Unsichtbare in menschliche Gestik und Mimik und stellte es dar, wie sie Figuren auf der Bühne darstellte, nur ohne den exzessiven Dünkel, der im The a ter nötig war, um auch dem kaltherzigsten Zuschauer in der letzten Reihe b e greiflich zu machen, was der Tanz ihm zu erzählen gedachte. Übe r treibung war nicht nötig. Der Buchhändler reagierte schon auf subt i le Anzeichen. Er verhärtete sein Gesicht, und obgleich sie das G e genteil – sein Mitgefühl – erreichen wollte, wusste sie, dass sie nicht gescheitert war. Sie wusste es, bevor er betroffen schluckte. Der Buchhändler spielte ihr etwas vor, und als Schauspielerin sah sie das auf den ersten Blick.
    „ Hör mal“, sagte er, nun viel milder. „Du solltest besser gehen. Wenn dich jemand hier sieht, bringt mich das in große Schwierigke i ten.“
    Ach ja. Sie hatte diese „Wahre Kunst“-Plakette an der Tür ges e hen. Der Buchhändler war also doch nur ein Konservativ ist . Einer von diesen Leuten, die ihre Kinder zum Kumbaya-Singen ins Wir-sind-alle-eine-Welt-Ferienlager schickten, jedoch nie ohne die A n weisung, sich von allen Fremden fernzuhalten. Man wisse schließlich nie, was hinter der Stirn eines Magischen so vor sich ging.
    Ihre Enttäuschung wuchs noch an, aber diesmal verbarg sie es.
    „ Du darfst nicht denken, es würde mich stören, was du bist“, fuhr er unerwarteterweise dennoch fort. „Aber das Geschäft gehört me i nem Vater, und der …“ Er übersetzte u n schmeichelhafte Worte mit einem Augenrollen. „Ich hoffe nur, dass er heute nicht mehr he r kommt. Wenn er die Bücher sieht, kann ich etwas erleben. Woher wusstest du überhaupt, wo du mich findest?“
    „ Zwischen den Romanen lag ein Zahlungsbeleg, der war mit einem Namen und einer Anschrift aus dem Kommunikations-Schienen-System bedruckt. Ich habe Miss Mary Danninger einen Brief über das KSS geschickt und Miss Mary war so freundlich, mich zu em p fangen und mir Ihre Adresse zu nennen.“
    Der Buchhändler seufzte und rieb sich die Nasenwurzel.
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