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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition)
Autoren: Liv Abigail
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Ob sein Kopf von dem Schlag noch schmerzte? Das tat ihr leid. „Das hättest du nicht tun sollen. All die Aufmerksamkeit …“
    Sie zuckte mit den Schultern. Es waren doch seine Bücher. Hatte er geglaubt, sie würde sie behalten?
    Er setzte zu einer Erklärung an, schüttelte dann aber bloß den Kopf. „Schon gut. Es war ja gut gemeint.“
    Aber offenbar nicht gut gemacht, dachte Cera unbehaglich. Ach, sie machte einfach äußerst ungern Fehler. Man fühlte sich dann i m mer so … falsch. Wie ein selbst zu Gestalt gewordener Fehler.
    Und ein weiteres Mal breitete sich Stille aus wie ein unangenehmer Geruch. Cera wäre am liebsten gegangen. Es wäre einfach gewesen, sich höflich zu verabschieden, den Laden zu verlassen, und nie wi e der herzukommen. Andererseits hatte sie so viele Hoffnungen in den Buchhändler gesetzt. Vor allem, Yasemine zu retten, bevor das Schreckliche mit der Freundin geschah, wovon sie manchmal träu m te, wenn ihr Uhrwerk abgelaufen war, all ihre vom Willen und der Vernunft gesteuerten Gedanken stillstanden und Emotionen grässl i che Schatten warfen, die sich zu Träumen verwoben.
    Beinah e überkam es sie, und sie hätte dem Buchhändler alles e r zählt und ihn um Hilfe angefleht. Doch sie entsann sich Mrs Ke y mans Worten, die lauteten: Fall nicht mit der Tür ins Haus, Kind. Nicht, wenn es um Männer geht.
    Und so riss sie sich mühsam zusammen, vertraute darauf, dass di e ser Mann sich auch weiterhin als hilfsbereiter Zeitgenosse zeigte, und fragte: „Wundern Sie sich denn gar nicht, was eine Tänzerin aus Chelsea im schlimmsten Viertel des East Ends sucht?“
     
    ***
     
    Endlich hörte sie auf, wie eine Katze um den heißen Brei herumz u schleichen. Valender hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dieser Frau – nein, dieser mechanischen Frau, korrigierte er sich – würde es um etwas ganz anderes als eine Bitte um Verzeihung gehen. Das war ihm gleich abstrus vorgekommen. Puppen konnten zwar höfliche Umgangsformen erlernen, aber keine wahren Emotionen. Dass sie sich selbst auf eigenen Wunsch stellte, obwohl sie die Sache auch schlicht als Unfall hätte abtun können, schien ihm unglaubwürdig. Dahinter steckte etwas anderes. Offenbar war sie endlich bereit, die Wahrheit zu verlauten.
    Er lehnte sich an die Theke, griff nach einem herumliegenden Klemmbrett und verdeckte damit unauffällig den Tee-und-Asche-Fleck auf seiner Hose, den die Puppe hin und wieder mit amüsierten Blicken bedachte.
    „ Ich hatte mich an jenem Abend schon gefragt, was dich wohl ins Ten Bells führte.“ Um ehrlich zu sein, hatte er sich gefragt, was eine so schöne Frau in die Spelunke führte. Dass sie eine Puppe war, sah man tatsächlich nur, wenn man genau hinblickte. Noch immer mus s te er zugeben, dass sie eine Schönheit war, auf ihre ganz eigene Art und Weise. Ihre braunen Augen hinter tintenschwarzen, langen Wimpern hatten eine Tiefe, als sähe man durch gegenüberliegende Spiegel ins Unendliche. Ob der Puppenmacher, der sie geschaffen hatte, in ihren Glasaugen Spiegelsplitter verarbeitet hatte? Sicher war sie von einem Araber geschaffen worden. Der Hautton verriet es. Europäer und Asiaten bevorzugten Puppen mit perlweißer Haut, doch diese hier hatte einen Teint wie der Milchkaffee, den seine Schwester trank: Mehr Milch als Kaffee. Ihr Macher musste eine K o ryphäe sein, er hatte selbst an winzige Unregelmäßigkeiten in ihrem Antlitz gedacht, die sie fast menschlich erscheinen ließen. Sie war nur einen Hauch zu perfekt – die Haut zu glatt, das Haar zu glänzend, die Augen zu funkelnd –, was verriet, dass sie ein Kunstprodukt war.
    „ Ich war dort, um einen Privatdetektiv zu treffen.“ Mit ihrer schmalen Hand vollführte sie eine abwinkende Bewegung. „Eine sehr lange Geschichte. Übel, wenn Sie mich fragen.“
    Das Stichwort ließ ihn innerlich zusammenzucken. Es war wah r haft übel, dass sie hier war. Wenn ihn jemand bei einem Stelldichein mit einer Puppe, dem niedersten aller magischen Wesen, ertap p te und verriet, wäre die Hölle los. Er zögerte. Wenn es doch nur die mon e tären Schulden wären, hätte er jederzeit einen innerfamiliären Krieg in Kauf genommen. Aber sein Vater könnte ihm den Umgang mit Melissa untersagen. Der alte Kauz hatte alle Fäden in der Hand. Sie wussten es beide: W enn es hart auf hart kommen sollte, würde V a lender wie eine Marionette vor seinem Vater tanzen.
    Kalte Wut braute sich in ihm zusammen. Er war den ständigen Druck, das Verbiegen und
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