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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen
Autoren: John Verdon
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»Dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt? Dass einer Familie geholfen wird, die durch die Hölle gegangen ist? Ich meine, ein Kind zu verlieren ist doch das Schlimmste auf der ganzen Welt.«
    Gurney erstarrte. Ein Kind zu verlieren – diese Vorstellung versetzte ihm noch immer einen Stich. Es war über fünfzehn Jahre her, dass Danny, der damals kaum vier Jahre alt war, auf die Straße lief, als Gurney gerade nicht aufpasste. Aber Trauer, so hatte er festgestellt, war keine Erfahrung, die man einmal durchmachte, um sie dann »hinter sich zu lassen«, wie es idiotischerweise immer hieß. In Wahrheit suchte sie einen in Wellen heim, zwischen denen Phasen der Dumpfheit, des Vergessens und des normalen Lebens lagen.
    »Bist du noch da?«
    Gurney nickte benommen.
    Hardwick fuhr fort. »Ich will diese Leute nach Kräften unterstützen. Außerdem …«
    Gurney schob die aufreibenden Emotionen von sich und unterbrach ihn: »Außerdem würde es Rodriguez in den Wahnsinn treiben, wenn ich mich in die Sache einschalte, was ich übrigens nicht vorhabe. Und wenn ich dann noch auf was stoßen würde, etwas Neues, Wichtiges, würden er und Blatt richtig alt aussehen, nicht wahr? Könnte das vielleicht einer deiner guten Gründe sein?«
    Hardwick räusperte sich. »Ziemlich schräge Unterstellung. Tatsache ist, dass wir eine verzweifelte Mutter haben, die mit den Fortschritten der Polizeiuntersuchung unzufrieden ist. Ehrlich gesagt verstehe ich das auch, denn der inkompetente Arlo Blatt und sein Team haben jeden Mexikaner im County aufgescheucht und dabei nicht einmal einen Tacofurz aufgestöbert. Sie sucht händeringend nach einem richtigen Kriminalermittler. Und deswegen lege ich dir dieses goldene Ei in den Schoß.«
    »Wunderbar, Jack. Aber ich arbeite nicht als Privatdetektiv.«
    »Meine Güte, Davey, du kannst dich doch mal mit ihr unterhalten. Mehr verlange ich gar nicht. Red einfach mit ihr. Sie ist einsam, verletzlich, wunderschön und hat einen Haufen Kohle zum Verbraten. Und tief drinnen, alter Knabe, tief drinnen steckt was Wildes in dieser Frau. Das garantier ich dir. Der Schlag soll mich treffen, wenn ich lüge!«
    »Jack, das Letzte, was ich im Moment brauche …«
    »Ja, ja, ja. Du bist glücklich verheiratet und liebst deine Frau. Blablabla. Okay, fein. Und vielleicht legst du keinen Wert darauf, Rod Rodriguez endlich als das totale Arschloch bloßzustellen, das er ist. In Ordnung. Aber dieser Fall ist komplex .« Er verlieh dem Wort großen Nachdruck, als wäre dies ein besonders kostbares Merkmal. »Er hat viele Schichten, Davey. Eine richtige Zwiebel.«
    »Aha?«
    »Und du bist der geborene Zwiebelschäler – der beste, den es gibt.«

3
Elliptische Umlaufbahnen
    Als Gurney Madeleine in der Tür zum Arbeitszimmer entdeckte, war er nicht sicher, wie lang sie bereits dort lehnte und wie lang er selbst schon vor dem Fenster zur hinteren Wiese unter dem bewaldeten Hang stand. Auch wenn es um sein Leben gegangen wäre, er hätte das vor ihm liegende Muster aus leuchtenden Goldruten, bräunlichem Gras und blauen Astern nicht beschreiben können. Hardwicks telefonischen Bericht hingegen hatte er nahezu Wort für Wort im Kopf.
    »Und?«, fragte Madeleine.
    »Was, und?« Er tat, als hätte er sie nicht verstanden.
    Sie lächelte ungeduldig.
    »Das war Jack Hardwick.« Er war sich nicht sicher, ob sie sich an Jack Hardwick erinnerte, den Chefermittler im Fall Mellery, doch ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie genau wusste, von wem die Rede war. Diese Miene setzte sie immer auf, wenn ein Name erwähnt wurde, der mit dieser furchtbaren Mordserie in Zusammenhang stand.
    Sie schaute ihn unverwandt an.
    »Er will meinen Rat.«
    Noch immer wartete sie.
    »Er möchte, dass ich mit der Mutter einer Ermordeten spreche. Sie wurde am Tag ihrer Hochzeit getötet.« Er war drauf und dran, die besonderen Einzelheiten des Mordes zu schildern, erkannte aber, dass das ein Fehler gewesen wäre.
    Madeleine nickte fast unmerklich.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
    »Ich hab mich schon gefragt, wie lang es dauern wird.«
    »Wie lang …?«
    »Bis du wieder eine … Situation … findest, die deine Aufmerksamkeit erfordert.«
    »Ich will nur mit ihr sprechen, mehr nicht.«
    »Genau. Und nach einer langen, ausführlichen Unterhaltung wirst du zu dem Schluss kommen, dass die Ermordung einer Frau am Tag ihrer Hochzeit nicht besonders interessant ist, und dich gähnend abwenden. Stellst du dir das wirklich so vor?«
    Seine
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