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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen
Autoren: John Verdon
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ein, merkt aber bald, dass der Mann intelligent ist, hochintelligent. Also testet er ihn, pusht ihn, bildet ihn aus. In einem Zeitraum von zwei, drei Jahren wird Hector vom Laubharker zum Protegé des Psychiaters. Fast ein Mitglied der Familie. Anscheinend hatte er dank seinem neuen Status auch eine Affäre mit der Frau eines Nachbarn von Ashton. Interessante Erscheinung, dieser Señor Flores. Nach dem Mord verschwindet er von der Bildfläche, zusammen mit der Nachbarin. Letzte konkrete Spur ist eine blutige Machete, die er hundertfünfzig Meter hinter dem Cottage im Wald zurückgelassen hat.«
    »Und was ist bei der Untersuchung rausgekommen?«
    »Nichts.«
    »Was soll das heißen?«
    »Mein schlauer Captain hatte eine bestimmte Auffassung von dem Fall – vielleicht erinnerst du dich noch an Rod Rodriguez?«
    Gurney erinnerte sich mit Schaudern an ihn. Vor einem Jahr – sechs Monate vor dem von Hardwick beschriebenen Mord – hatte er halboffiziell an einer Ermittlung teilgenommen, für die ein Stab des State Police Bureau of Criminal Investigation unter der Leitung des starrsinnigen, ehrgeizigen Rodriguez zuständig war.
    »Seiner Meinung nach sollten wir alle Mexikaner in einem Umkreis von dreißig Kilometern vom Tatort verhören und sie unter Druck setzen, bis uns einer von ihnen zu Hector Flores führt. Falls das nicht klappt, sollten wir den Radius auf siebzig Kilometer ausdehnen. Dafür wollte er alle Ressourcen einsetzen – hundert Prozent.«
    »Du warst anderer Ansicht als er?«
    »Es gab brauchbare Ermittlungsansätze. Möglicherweise war Hector nicht, was er zu sein schien. Die ganze Geschichte war irgendwie komisch.«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Ich habe Rodriguez gesagt, dass er Scheiße im Hirn hat.«
    »Wirklich?« Zum ersten Mal entschlüpfte Gurney ein Lächeln.
    »Ja, wirklich. Also hat er mir den Fall abgenommen und ihn Blatt gegeben.«
    »Blatt!?« Der Name schmeckte wie ein verdorbener Bissen Fleisch. Investigator Arlo Blatt war der einzige Beamte beim BCI , der noch schlimmer war als Rodriguez. Blatt verkörperte eine Haltung, für die ein Lieblingsprofessor Gurneys am College eine treffende Beschreibung gefunden hatte: »Bewaffnete und kampfbereite Ignoranz«.
    Hardwick fuhr fort. »Blatt hat sich genau an Rodriguez’ Anweisungen gehalten und nicht das Geringste rausgefunden. Vier Monate sind vergangen, und wir wissen heute weniger als am Anfang. Aber du fragst dich jetzt bestimmt, was das alles mit dem am höchsten dekorierten Detective des NYPD zu tun hat?«
    »Die Frage ist mir in den Sinn gekommen, wenn auch nicht in diesen Worten.«
    »Die Mutter der Braut ist unzufrieden. Sie hat den Verdacht, dass die Untersuchung versiebt wurde. Zu Rodriguez hat sie kein Vertrauen, Blatt ist für sie nur ein Idiot. Aber auf dich hält sie große Stücke.«
    »Wie bitte?«
    »Letzte Woche ist sie zu mir gekommen – auf den Tag genau vier Monate nach dem Mord. Wollte wissen, ob ich den Fall wieder übernehmen oder, falls nein, daran arbeiten kann, ohne dass es jemand erfährt. Hab ihr zu verstehen gegeben, dass das nicht machbar ist – mir sind die Hände gebunden, und ich bewege mich sowieso schon auf ziemlich dünnem Eis im Bureau. Aber zufällig kenne ich persönlich den ausgezeichnetsten Detective in der Geschichte des NYPD , der erst kürzlich in den Ruhestand gegangen, aber immer noch voller Saft und Kraft ist. Ein Mann, der sicher gern bereit ist, ihr eine Alternative zum Holzweg von Rodriguez und Blatt zu bieten. Als Sahnehäubchen hab ich ihr diesen bewundernden Artikel in der Zeitschrift New York gezeigt, der erschienen ist, nachdem du den Fall mit dem ›wahnsinnigen Weihnachtsmann‹ gelöst hast. Wie haben Sie dich gleich wieder genannt? Super-Cop? Auf jeden Fall war sie beeindruckt.«
    Gurney zog eine Grimasse. In seinem Kopf kollidierten mehrere mögliche Antworten und hoben sich gegenseitig auf.
    Hardwick schien durch sein Schweigen ermutigt. »Sie würde sich gern mit dir treffen. Ach, hatte ich das schon erwähnt? Sie ist absolut umwerfend, Anfang vierzig, sieht aber aus wie zweiunddreißig. Und sie hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es nicht aufs Geld ankommt. Du brauchst ihr einfach nur deinen Preis sagen. Wirklich, zweihundert Dollar die Stunde wären kein Problem. Nicht dass so was Gewöhnliches wie Geld für dich ein Motiv ist.«
    »Weil wir gerade von Motiven reden, was hast du davon?«
    Hardwicks Versuch, den Unschuldigen zu mimen, klang einfach nur komisch.
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