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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
Autoren: Rudyard Kipling
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borgen, um die Epidemie in Nuddea zu bekämpfen. Der erste lag tot in dem Chooadanga Dak-Bungalow.

Ad acta zu legen
    »Sag, graut schon der Tag, senkt der Abend sich nieder,
Du, die ich begehre, die meiner begehrt?
Oh, laß es Nacht sein in Deinem Gemache,
Oh, laß mich, ja, laß – – –«
    Hier stürzte er über ein Kamelfüllen, das in dem Serai schlief, in dem die Pferdehändler und die tüchtigsten Gauner Zentralasiens wohnen; und da er ungewöhnlich betrunken und die Nacht sehr dunkel war, vermochte er erst aufzustehen, als ich ihm half. Das war der Anfang meiner Bekanntschaft mit McIntosh Jellaludin. Wenn ein Strolch im Trunke das »Lied des Begehrens« singt, lohnt es sich, seinen Umgang zu pflegen. Er kletterte von dem Rücken des Kamels und sagte ziemlich schwerfällig: »Ich bin nicht mehr so ganz klar – aber ein kurzes Bad in Loggerhead wird die Sache schon in Ordnung bringen; und sagen Sie mal – haben Sie schon mit Symonds über der Stute Fesseln gesprochen?«
    Nun lag Loggerhead sechs Tausend lange, lange Meilen fern, hart an der mesopotamischen Grenze, wo das Fischen verboten und Wilddieberei unmöglich ist, und Charley Symonds Stallungen lagen eine weitere halbe Meile entfernt, jenseits der Koppeln. Es war seltsam, hier in einer warmen Mainacht unter den Pferden und Kamelen der Sultan-Karavanserei die alten Namen wiederzuhören. Aber jetzt schien der Mann sich auf sich selbst zu besinnen und war im gleichen Augenblick verhältnismäßig nüchtern. Er lehnte sich gegen das Kamel und wies auf einen Winkel des Serai, in dem eine Lampe brannte:
    »Da drüben wohne ich,« sagte er, »und ich wäre Ihnen außerordentlich zu Dank verpflichtet, wenn Sie die Güte hätten, meinen etwas meuterisch veranlagten Füßen dorthin zu verhelfen; heute bin ich ganz ungewöhnlich voll – einfach – einfach phänomenal besoffen. Mit Ausnahme meines Kopfes. ›Mein Hirn empört sich gegen‹ – wie heißt es doch? Aber mein Kopf schwimmt über – nein, wälzt sich auf dem Misthaufen und kontrolliert die Dünste.«
    Ich lotste ihn durch die Reihen angekoppelter Pferde, und auf den Stufen der Veranda vor den Gängen der Eingeborenenquartiere erlitt er einen Kollaps.
    »Danke – tausend Dank! Oh Mond und kleine, kleine Sterne! Daß ein Mann sich so schamlos betrinken kann ... Dazu an infamem Fusel. Ovid trank im Exil keinen schlechteren. Besseren. Eisgekühlt. Und ich hatte leider kein Eis. Gute Nacht. Ich würde Sie meiner Frau vorstellen, wäre ich nüchtern, oder das Weib zivilisiert.«
    Eine Inderin trat aus dem Dunkel des Zimmers und begann den Mann mit Schimpfworten zu überhäufen; ich entfernte mich daher. Er war der interessanteste Strolch, den kennen zu lernen ich seit langem das Glück gehabt hatte, und wurde später einer meiner Freunde. Er war entsetzlich durch Alkohol mitgenommen, ein großer, gutgewachsener, blonder Mensch, der eher nach fünfzig als nach fünfunddreißig aussah, was, wie er mir sagte, sein richtiges Alter wäre. Wenn ein Mann in Indien zu sinken beginnt und nicht so bald wie möglich von seinen Freunden nach Hause geschickt wird, sinkt er vom Standpunkt der bürgerlichen Moral aus wirklich sehr tief. Und hat er erst, wie McIntosh, seinen Glauben gewechselt, so ist er rettungslos verloren.
    In den meisten Großstädten wissen die Einheimischen von zwei, drei »Sahibs« – gewöhnlich der unteren Klassen –zu erzählen, die Hindus oder Mohammedaner geworden sind, aber man erhält nicht häufig Gelegenheit, sie kennen zu lernen. Wie McIntosh selbst bemerkte: »Wenn ich um meines Magens willen meine Religion wechsle, suche ich damit weder ein Märtyrer christlicher Missionare zu werden, noch lege ich besonderen Wert auf stadtbekannte Popularität.«
    Am Anfang unserer Bekanntschaft erteilte mir Mclntosh eine Warnung. »Vergessen Sie bitte das eine nicht: ich bin kein Objekt der Nächstenliebe. Ich brauche weder Ihr Geld, noch Ihr Essen, noch Ihre abgetragenen Kleider. Ich bin jenes seltene Tier: ein sich selbst ernährender Säufer. Wenn Sie es wünschen, werde ich mit Ihnen rauchen, da der Tabak der Bazare, das will ich gerne zugeben, meinem Gaumen nicht zusagt, und ich werde mir alle Bücher borgen, auf die Sie keinen besonderen Wert legen. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß ich sie gegen Flaschen niederträchtigen, einheimischen Fusels eintauschen werde. Als Revanche sollen Sie die geringe Gastfreundschaft genießen, die mein Haus zu bieten vermag. Hier ist ein Feldbett, auf
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