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Schleier der Traeume

Schleier der Traeume

Titel: Schleier der Traeume
Autoren: Lynn Viehl
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ihn an fass ihn an fass ihn an fass –
    »Lanie, Baby.« Eine Whiskeyfahne schlug ihr entgegen. »Bist du wach?«
    Lana murmelte etwas, wälzte sich auf die Seite und drückte ihr Kuscheltier ans klopfende Herz. Sie spürte, wie ihr Vater über ihr schwankte, wie er sie musterte und grübelte, was er tun sollte. Seine Entscheidung hing davon ab, wie betrunken er war. An manchen Abenden besann er sich auf früher, als ihre Mutter noch lebte und sie eine richtige Familie gewesen waren, und dann ließ er sie in Ruhe. An anderen Abenden allerdings …
    Aber das war ihre Schuld. Sie hatte Angst gehabt, hatte die Beherrschung verloren. Wäre ihr das nicht passiert, hätte er es nie herausgefunden.
    »Morgen Abend, Baby.« Feuchte Lippen drückten an ihr Ohr, und dann säuselte er mit rauer Stimme: »Dann bist du ein braves Mädchen und machst es für Papi noch mal, ja?«
    Ihr stieg die Galle hoch. Sollte er sie auf den Mund küssen, würde sie sich in sein Gesicht hinein übergeben. Aber er kam nicht an ihre Lippen, nicht ohne das Gleichgewicht zu verlieren und auf sie zu stürzen; deshalb richtete er sich wieder auf und trat einen Schritt zurück.
    »Morgen Abend«, wiederholte er.
    Lana lauschte reglos, wie ihr Vater aus dem Zimmer schlurfte und die Tür zuknallte. Dann hörte sie einen Schlüsselbund und eine weitere Tür, die quietschend auf- und zuging. Erst nach dem letzten Geräusch öffnete sie die Augen, glitt behutsam aus dem Bett, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und legte das Ohr ans Holz. Nach mehreren Minuten der Stille wusste sie, dass keine Gefahr mehr drohte.
    Jimmy kroch aus seinem Versteck, und sie nahm den hinter Schuhschachteln verborgenen Rucksack aus dem Schrank. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie es nicht schaffte, ihr Schlafanzugoberteil aufzuknöpfen; also zog sie es sich über den Kopf, und darunter erschien ein T-Shirt.
    »Du kannst nicht weglaufen«, sagte Jimmy leise. »Er wird sie rufen. Sie werden dich finden. Und dich zur Rückkehr zwingen.«
    »Nein.« Rowan öffnete die Schublade einer Kommode und nahm einige Sockenpaare heraus. Sie wussten nicht, was zu tun sie imstande war, und er würde es ihnen nicht verraten. »Ich komme nie mehr zurück.« Jede Woche hatte sie etwas Geld aus der Kassette in der Küche gestohlen, und obwohl sie mit vierzig Dollar und achtundsechzig Cent nicht weit käme, so musste es doch reichen.
    Sie konnte das nicht wieder tun. Nie mehr.
    »Was ist mit mir?« Jimmys Stimme kletterte ängstlich um eine Oktave höher. »Du darfst mich hier nicht allein lassen. Er wird wissen, dass ich dir geholfen habe.«
    Ihr Vater hatte ein furchtbares Naturell, sich jedoch zu Lebzeiten ihrer Mutter zu beherrschen vermocht. Lana gegenüber hatte er sich sogar wie ein Vater verhalten, wenn auch auf distanzierte, gleichgültige Art. Sie wusste, dass ihre Eltern sie nur adoptiert hatten, weil sie keine eigenen Kinder haben konnten, ihre Mutter aber eine kleine Tochter lieben wollte. Dann hatten die Dinge sich verändert, und ihre Mutter hatte nicht mehr geschlafen, sondern dauernd in der Bibel gelesen, das Buch überallhin mitgeschleppt und sich bis zur letzten, entsetzlichen Nacht nicht mehr um Lana und ihren Vater gekümmert.
    Das schlitzende Messer.
Du Ausgeburt der Hölle
. Der glühende Schmerz in ihrem Rücken.
Du Teufel
. Jedes Wort ein Schrei.
    Seit der Beerdigung war ihr Vater ein anderer Mensch. Er sprach weder mit der Polizei noch mit sonst wem, schloss sich im Zimmer ihrer Mutter ein, trank und kam nur raus, um neuen Whiskey zu kaufen. Als Lana mit ihm sprechen wollte, schlug er sie und stieß sie gegen die Wand.
    Du hast das getan. Sie hatte recht mit dem, was sie über dich sagte
.
    »Er wird richtig wütend werden«, meinte Jimmy nun.
    »Ruf deine Mutter an, wenn ich weg bin, und erzähl ihr, mein Vater hat dich geschlagen«, erwiderte Lana und packte Unterwäsche in ihren Rucksack. »Zeig ihr die blauen Flecken am Rücken, die du dir beim Sturz vom Baum zugezogen hast. Dann glaubt sie dir.«
    Jimmys Mutter, die sich das Sorgerecht für den Jungen mit dessen Vater teilte, hatte sich bereits bei ihrem Exmann über Lanas Vater beschwert und darüber, wie viel Angst er Jimmy machte. Bei ihrem jüngsten unangemeldeten Besuch hatte Lanas Vater schlafend im Flur gelegen, eine fast leere Flasche Jack Daniel’s neben sich, und sie hatte Jimmys Vater gedroht, erneut vor Gericht zu ziehen und das alleinige Sorgerecht zu beantragen. Jimmy hatte das alles
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