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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift
Autoren: Val McDermid
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dramatisch. Anderson sah aus, als würde etwas in seinem Inneren zerbrechen. Tony wollte versuchen, dies zu provozieren.
    Sein Ton war sanft und freundlich. »Sie haben beschlossen, dass – wenn sich Ihre Träume nicht erfüllen konnten – auch die Männer, die den gleichen Weg gegangen waren wie Sie, diese Träume nicht leben durften. Sie hätten an ihrer Stelle sein können, aber das waren Sie nicht, deshalb sollte es auch ihnen nicht erlaubt sein, die zu sein, die sie waren.« Dann veränderte sich plötzlich sein Tonfall. Schroff und laut sagte Tony: »Na, Jack, hier ist eine Neuigkeit für Sie. Sie werden anderen keine Träume mehr wegnehmen. Sie kommen in den Knast, wo man gut auf Sie aufpassen und dafür sorgen wird, dass jeder Tag, den Sie noch zu leben haben, elend sein wird. Sie werden hinter Gittern noch lange und glücklich leben. Dort, wo alle anderen sämtliche saftigen Einzelheiten aus Ihrem Prozess kennen werden.«
    Anderson sprang auf und stürzte sich auf Tony, der eine seiner Krücken energisch durch die Luft schwang, sie Anderson in die Rippen stieß und ihn aus dem Gleichgewicht brachte, so dass er zu Boden fiel.
    »Sehen Sie? Man kommt nicht angerannt, um mir zu helfen«, sagte Tony. »Weil man nämlich weiß, dass Sie mich nicht niederschlagen werden, denn dazu sind Sie nicht in der Lage. Sie mögen keine Gewalt. Chris Devine hatte einfach Pech in der Hitze des Gefechts. Wenn Sie Zeit zum Überlegen gehabt hätten, hätten Sie sie nie geschlagen. Das ist ein weiterer Grund, weshalb Sie Gift gewählt haben. Damit Sie aus der Entfernung töten konnten.« Er schüttelte den Kopf. »Ich fing an, Mitgefühl mit Ihnen zu haben, Jack. Jetzt habe ich nur noch Mitleid.«
    Anderson rappelte sich auf und schlich zu seinem Stuhl zurück. »Ich will Ihr Mitleid nicht.«
    »Dann verdienen Sie sich meinen Respekt. Sagen Sie mir, wie es war. Wenn ich unrecht habe, sagen Sie es mir jetzt. Ich werde es zurücknehmen.«
    Anderson ließ sich resigniert auf den Stuhl fallen. »Ich werde nicht darüber sprechen. Was immer an Beweisen gefunden wird, ich werde nicht darüber reden. Ich werde mich für schuldig erklären. Aber ich werde nicht über die Dinge reden, von denen Sie gesprochen haben. Es wird keinen Prozess geben, der mich besudelt. Es wird immer ein Geheimnis bleiben, warum ich es getan habe.« Seine Augen blitzten vor Wut. »Ich habe sie getötet. Das soll ich doch sagen, stimmt’s? Ich habe getan, was ich tun musste. Ich habe sie getötet.«

    Nachdem Anderson hinausgeführt worden war, hätte Tony sich am liebsten überhaupt nicht mehr bewegt. Er war ausgelaugt, hatte Schmerzen und wollte nichts tun, was beides noch verschlimmern konnte. Also saß er einfach da. Der Vollzugsbeamte brachte ihm eine Tasse Kaffee, die aus seinem persönlichen Vorrat stammen musste, denn er schmeckte nach Kaffee. Ansonsten ließ man ihn in Ruhe. Er trank fast die ganze Tasse aus und ließ den Rest abkühlen, um damit etwas Kodein zu schlucken. Was war das für eine Arbeit, deren Erfolge einen so elend machten?
    Er war nicht sicher, wie viel Zeit vergangen war, als Carol zurückkam. Sie setzte sich ihm gegenüber, streckte die Hand über den Tisch und legte sie auf die seine. »Kevin geht es gut. Er wird sich erholen. Und wir haben gegen Anderson Anklage erhoben«, berichtete sie. »Wenn die Spurensicherung uns nicht enttäuscht, werden wir alles in trockenen Tüchern haben. Wir können ihn auf jeden Fall mit Tom Cross in Verbindung bringen, und es gibt Indizienbeweise für Danny Wade. Dazu der Angriff auf Kevin. Und wenn er bei seinem Schuldbekenntnis bleibt, werden wir auch Robbie einbeziehen können.«
    »Er wird sich anders besinnen, sobald ihn ein Anwalt bearbeitet«, meinte Tony. So ging es eben zu auf der Welt. Wer immer Anderson schließlich vertrat, würde neben der Notwendigkeit, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen, auch die Möglichkeit für Schlagzeilen sehen. »Lass uns beten, dass es nicht Bronwen Scott sein wird.«
    »Gibt es noch etwas, über das du mit mir sprechen möchtest?«, fragte Carol und zog ihre Hand zurück.
    Seine Lider flatterten vor Müdigkeit. »Oh«, sagte er langsam. »Jetzt, da du fragst …«
    »Tony«, dröhnte John Brandons Stimme von der Tür her. »Gratuliere! Gerade aus dem Krankenhaus entlassen, und schon erledigen Sie unsere Arbeit. Gut gemacht.« Er schüttelte Tony die Hand und zog einen Stuhl heran. »Also, Carol sagt mir, dass wir eine etwas heikle Situation haben. Es
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