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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift
Autoren: Val McDermid
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Respekt einflößende Frau Dr. Chakrabarti sie durchführte.
    »Ich kann immer noch nicht weit gehen, weißt du«, sagte er, als er sie einholte.
    »Wir gehen auch nicht weit.« Nach ungefähr einer halben Meile fiel der Hügel plötzlich ab und gab eine grandiose Aussicht frei, ein schönes Schloss in der Talsohle inbegriffen. »Hier ist es gut«, meinte Carol. Sie öffnete den Rucksack und nahm eine leichte Decke heraus. Sie setzten sich nebeneinander, und sie holte zwei Ferngläser, eine kleine Flasche Sekt und zwei Gläser heraus. Dann sah sie auf die Uhr. »Genau der richtige Zeitpunkt.«
    »Sagst du mir jetzt, was los ist?«
    »Sieh doch mal hin.« Sie gab ihm ein Fernglas. »Schau das Tal hoch in Richtung Schloss.« Während sie sprach, stieg ein Rauchwölkchen zum Himmel auf. Dann loderten plötzlich Flammen empor, und grüne Büsche erglühten in roten, gelben und schwarzen Schwaden von Feuer und Rauch.
    »Ist es tatsächlich das, wofür ich es halte?«, fragte Tony und sah sich das Schauspiel durch das Fernglas an.
    »Lord Pannals Garten mit den Giftpflanzen«, antwortete Carol. »Er wollte das schon seit dem Tag tun, an dem Jack Anderson verhaftet wurde. Aber wir mussten sichergehen, dass Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorher alle nötigen Untersuchungen durchführen konnten. Sie haben beide am Freitag alles abgeschlossen, und Seine Lordschaft hat endlich seinen Willen bekommen.«
    »Ich verstehe jetzt, wieso du dir den Ferrari geliehen hast.« Tony senkte sein Fernglas. »Bekennt sich Anderson immer noch schuldig?«
    Carol nickte und schob den Sektkorken mit den Daumen an. Leise ploppend flog er heraus, und sie goss ein. »Sein Anwalt hat alles versucht, um ihn dazu zu bringen, dass er es sich anders überlegt. Aber er ist klug genug zu verstehen, dass vor Gericht fast nichts über den Grund seiner Straftaten herauskommen wird, wenn er sich weiter an sein Schuldbekenntnis hält. Und da die Toxikologen festgestellt haben, dass das Zäpfchen in seiner Tasche mit Strychnin präpariert war, wäre die Argumentation, er sei nur zufällig vor Ort gewesen, schwierig.«
    »Allerdings. Hast du jemals herausgefunden, wie er die Rochies verabreicht hat?«
    »In den Eiswürfeln. Die eine Seite der Schale war mit Rohypnol versetzt. Die andere Seite war in Ordnung.« Sie lachte kurz auf. »Auf die Seite mit der Droge hatte er mit Filzstift ein großes ›R‹ geschrieben, damit er sie auseinanderhalten konnte.«
    Tony nippte an seinem Glas. »Ich habe mich damals gefragt, ob er uns nicht noch hinters Licht führen würde.«
    »Hinters Licht führen? Wie?«
    »Die Zyanidkapsel im Knopf an seinem Hemd. Oder was auch immer. Ich wäre nicht überrascht gewesen.« Er sah über das Tal hinaus. »Irgendetwas Neues über Rachel Diamond?«
    »Sie behauptet immer noch, unschuldig zu sein. Aber wir haben Zeugen dafür, dass es um die Ehe der Diamonds nicht gut stand. Und die Dinge, die Stacey auf ihrem Bürocomputer gefunden hat, zusammen mit der Übergabe im Café der Kunsthalle – das wird sie festnageln. Es war eine glanzvolle Leistung, wie du das rausgefunden hast.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es war für mich eine sehr seltsame Zeit. Die Schmerzen, die Medikamente, die merkwürdigen Fälle. Und meine Mutter.« Und die Tatsache, dass wir fast die ganze Zeit miteinander stritten .
    »Hat sie sich gemeldet?«
    »Nein. Wird sie wahrscheinlich auch nicht tun, bis sie wieder etwas von mir will.«
    Carol lehnte sich an ihn. »Willst du immer noch versuchen, mehr über deinen Vater herauszufinden?«
    Er seufzte. Manchmal wünschte er, sie würde nicht immer wieder an seine alten Wunden rühren. Er wusste, dass sie es aus Sorge und Zuneigung tat, aber das hieß nicht, dass es nicht wehtat. Als sein Vater noch unbekannt war, hatte er wie Jack Anderson in seinen Träumen leben können. Jetzt, da es einer wirklichen Gestalt aus Fleisch und Blut nachzuspüren galt, war er nicht sicher, ob er diesen Teil seines Erbes wollte. »Ich habe dir nie richtig dafür gedankt, dass du dir Vanessa vorgeknöpft hast«, sagte er.
    »Ist schon gut. Ich weiß, dass es schwierig für dich ist.«
    Er sah auf sie hinunter, ihr in der Sonne glänzendes Haar, die lang ausgestreckten Beine. Jeder Beobachter hätte wohl angenommen, dass sie seit langem ein Paar waren, einen Spaziergang am Sonntagnachmittag machten und sich miteinander wohl fühlten. Aber die Wahrheit war – wie die meisten Dinge in seinem Leben – viel komplexer und weniger schön.
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