Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenaugen

Schlangenaugen

Titel: Schlangenaugen
Autoren: Carol Grayson
Vom Netzwerk:
erwähnt auf ihrer Reise, doch er konnte sich nicht daran erinnern.
    Joe kicherte wie ein kleiner Junge. "Meine Ziehmutter. Als ich klein war, hat sie zwei der Bretter gelockert, damit ich hindurch schlüpfen konnte und ihr im Sumpf und aus dem Wald ihre Blüten und Wurzeln holen konnte, die sie für ihre Medizintränke brauchte. Ich habe das regelmäßig nach Einbruch der Dunkelheit gemacht und dabei eine Menge von ihr gelernt. Ah...da!"
    Mit einem heftigen Ruck stieß er mit beiden Händen zwei der Bretter zurück. Sie ergaben eine schmale Öffnung, durch die sich ein zehnjähriger Knabe hindurch schlängeln konnte, jedoch kein ausgewachsener Mann! Sie mussten dieses Loch unbedingt vergrößern! Gemeinsam machten sie sich daran, eine dritte Bohle darüber zu lockern. Die rostigen Nägel gaben ihren vereinten Kräften bald nach und verbogen sich, bis sie heraussprangen. Joe und André mussten zwar die Luft anhalten, aber sie schafften es, durch das Loch ins Freie zu gelangen.
    Etwa fünfzig Meter robbten sie über freies Feld, bis sie den sicheren Schutz der hoch stehenden Baumwollfelder erreichten. Dort standen sie auf. Sie lachten leise wie befreit, packten sich an den Händen und liefen wie zwei kleine Jungs durch die kaum einen Meter hohen Stauden. Schließlich erreichten sie den Wald. Hier begann gleichzeitig der Sumpf und sie mussten aufpassen, wohin sie in der Nacht traten. Der Boden unter ihren Füßen gab leicht nach, als würde man auf einen nassen Schwamm treten. André hielt sich dicht hinter seinem Freund, der sich hier auszukennen schien und die gefährlichsten Stellen vermied. Wer hier verschwand, der verschwand für immer. Oder diente als Futter.
    Es gab hier nicht nur Alligatoren, sondern auch Schlangen und jede Menge andere unfreundliche Nachttiere. Um sie herum quakten monoton die Frösche und Kröten. Hierhin würde man ihnen nicht so leicht folgen, selbst wenn die Soldaten sich am nächsten Tag die Mühe machen würden, ihre Spuren zu suchen. André hoffte, dass der General besseres zu tun haben würde.  
     * * *
    Einen Tag später erreichten sie zu Fuß Baton Rouge. Dahinter floss der gigantische Mississippi wie ein breiter, silbergrauer Teppich. Einige Fischerboote und ein großer Raddampfer lagen am Kai. Dessen weiße Schornsteine ragten hoch in den Himmel. Schon von weitem bemerkten sie, dass eine Art Aufruhr in den Straßen rund um den Hafen herrschte, konnten jedoch nicht erkennen, was da los war. Sie wären sicher trotz ihrer zerlumpten und schmutzigen Kleidung kaum aufgefallen, dennoch schlichen sie an der Rückseite der Häuserfronten entlang.
    Hier wiederum kannte André sich aus und Joe verließ sich ganz auf ihn. Er führte sie zu einem kleinen Haus am Stadtrand, von dem man auch den Hafen sehen konnte, wo sich immer noch eine Menschenmenge drängte. Ein hübscher, gepflegter Vorgarten wurde von einem weiß gestrichenen Zaun umrahmt. Geblümte Vorhänge hingen an den Fenstern. Es strahlte schon von weitem Behaglichkeit aus. Hier war der Halbfranzose aufgewachsen. Es war das Haus des verstorbenen Doc Brown, das jetzt Emily Haven gehörte.  
    Die ältere Dame war erstaunt und erfreut zugleich, als sie auf Andrés Klopfen hin die Türe öffnete. Ihre meerblauen Augen in dem immer noch aparten Gesicht leuchteten auf. Gleichzeitig spürte sie instinktiv, dass etwas nicht in Ordnung war. Die beiden jungen Männer huschten ins Innere. Emily schaute sich auf der fast menschenleeren Straße um. Niemand schien ihnen Beachtung zu schenken. Aus dem Saloon ertönte laute Musik. Die Menschen am Hafen waren mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Frenetischer Jubel klang von dort herüber als jemand seine Rede beendet hatte. Emily schloss die Türe wieder und umarmte ihren Ziehsohn, der diese Umarmung genauso herzlich erwiderte.
    "André, mein lieber Junge. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Welch ein Leichtsinn, hier wieder aufzutauchen? Hat dich Sheriff Jenkins oder einer seiner Deputys auch nicht gesehen?"
    André schüttelte den Kopf. "Nein, Ma, wir waren vorsichtig."
    Emily wandte sich dem anderen Jungen zu, lächelte ihn freundlich an. Joe lächelte zurück. "Und wer ist das? Ein Freund von dir?"
    Der junge Mann nickte. "Ja, das ist Joseph St. Cloud, ein sehr guter Freund. Wir sind zusammen durch dick und dünn gegangen."
    "So seht ihr mir auch aus", meinte Emily vorwurfsvoll und rümpfte die Nase. "Ihr braucht erstmal dringend ein Bad und währenddessen bereite ich euch ein leckeres
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher