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Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5
Autoren: Kurt Vonnegut
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darüber diskutieren, ob es mit dem Roman zu Ende war oder nicht.  So geht das.
     
    Billy setzte sich mit den anderen um einen vergoldeten Eichenholztisch, mit einem nur für ihn bestimmten Mikrophon. Der Produktionsleiter fragte ihn nach seinem Namen und von welcher Zeitung er war. Billy sagte, er sei von der Ilium Gazette. Er war nervös und glücklich. »Wenn du jemals in Cody, Wyoming, bist « , sagte er sich, »frag einfach nach dem Wilden Bob. «
    Billy hob schon beim ersten Teil des Programms die Hand, aber er wurde nicht sofort aufgerufen. Andere gingen vor ihm hinein. Einer von ihnen sagte, es sei jetzt weiß Gott an der Zeit, den Roman zu begraben— jetzt, wo eine Frau aus Virginia hundert Jahre nach Appomattox Onkel Toms Hütte geschrieben hatte.
    Ein anderer war der Ansicht, daß die Leute nicht mehr gut genug lesen könnten, um einen gedruckten Text in ihren Schädeln in aufregende Situationen umzuwandeln, so daß die Autoren sich wie Norman Mauer verhalten mußten — nämlich öffentlich das auszuführen, was genau er geschrieben hatte. Der Produktionsleiter forderte die Leute auf, zu sagen, was ihrer Meinung nach die Funktion des Romans in der modernen Gesellschaft war, und ein Kritiker sagte: »Um Farbflecke in einem völlig weißgetünchten Zimmer anzubringen. « Ein anderer meinte: »Um Düsenflugzeuge künstlerisch zu beschreiben. « Und wieder ein anderer sagte: »Um den Frauen von jüngeren Geschäftsführern beizubringen, was sie als nächstes kaufen und wie sie sich in einem französischen Restaurant benehmen sollen. «
    Und dann durfte Billy sprechen. Er legte mit seiner schön ausgebildeten Stimme los, erzählte von den fliegenden Untertassen, von Montana Wildhack und so weiter.
    Er wurde sanft während einer Werbesendung aus dem Studio gewiesen. Er ging in sein Hotelzimmer zurück, steckte einen Vierteldollar in die »Magische-Finger «  Maschine, die mit seinem Bett verbunden war, und legte sich schlafen. Er reiste zeitlich zurück nach Tralfamadore.
    »Wieder mit der Zeit gereist? « fragte Montana.
    Es war künstlicher Abend im Rundbau. Sie reichte ihrem Kind die Brust.
    »Hm? « meinte Billy.
    »Du bist wieder mit der Zeit gereist. Ich seh das immer gleich. «
    »Um. «
    »Wohin bist du diesmal gegangen? Es war nicht der Krieg. Auch das seh ich. «
    »New York. «
    »Der ›Big Apple‹. «
    »Hm? «
    »So pflegt man New York zu bezeichnen. «
    »Ach. «
    »Hast du dir Theaterstücke oder Filme angesehen? «
    »Nein — ich war in der Gegend vom Times Square, habe ein Buch von Kilgore Trout gekauft. «
    »Das ist ja schön für dich. « Sie teilte seine Begeisterung für Kilgore Trout nicht.
    Billy erwähnte beiläufig, daß er ein Stück von einem gewagten Film gesehen habe, in dem sie gespielt hatte. Ihre Antwort war nicht weniger beiläufig. Sie war tralfamadorianisch und frei von jedem Schuldgefühl. »Ja « , sagte sie, »und ich habe von dir gehört, was für ein Hanswurst du im Krieg warst. Auch habe ich was über den Hochschullehrer gehört, der erschossen wurde. Er drehte einen gewagten Film mit einem Exekutionskommando. « Sie legte das Baby von einer Brust an die andere, denn der Augenblick war so gestaltet, daß sie das tun mußte. Stille trat ein.
    »Sie spielen wieder mit den Uhren « , sagte Montana, stand auf und schickte sich an, das Baby in sein Kinderbett zu legen. Sie meinte, daß ihre Bewacher die elektrischen Uhren in dem Rundbau schnell, dann langsam, dann wieder schnell gehen ließen und die kleine irdische Familie durch Gucklöcher beobachteten.

    Montana Wildhack hatte eine silberne Kette um den Hals. An ihr hing zwischen den Brüsten ein Medaillon, das eine Fotografie ihrer alkoholsüchtigen Mutter enthielt — ein grobkörniges Bild, Ruß und Kreide. Es hätte irgendwer sein können. Auf die Außenseite des Medaillons waren die Worte eingraviert:
    Gott gebe mir die gelassene Gemütsruhe
    die dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
    den Mut, die Dinge zu ändern die ich ändern kann, 
    und immer die Weisheit, den Unterschied zu erkennen.
     

10
     
    Robert Kennedy, dessen Sommersitz dreizehn Kilometer von dem Heim, in dem ich das ganze Jahr wohne, entfernt ist, wurde vor zwei Nächten erschossen. Er starb in der vergangenen Nacht. So geht das.
     
    Martin Luther King wurde vor einem Monat erschossen. Auch er ist gestorben. So geht das.
     
    Und jeden Tag gibt mir meine Regierung die Zahl der Toten an, die durch die militärische Wissenschaft in
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