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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Autoren: Janine Berg-Peer
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hast doch auch gelesen, dass dieser Arzt in seinem Bericht geschrieben hat, dass ich an akustischen Halluzinationen leide, weil ich erzählt habe, dass die Nachbarn an die Wand geklopft hatten. Spinne ich oder spinnt der? Hat das nun gestimmt oder nicht? Ich habe es doch gehört, aber vielleicht stimmte es auch gar nicht. Aber du weißt doch, dass die Nachbarn wirklich an die Wand geklopft haben, oder?«
    Ja, ich weiß das, ich war dabei. Und wie sie geklopft haben. Aber so muss ein Psychiater vielleicht denken, wenn er einer verwirrten Patientin gegenübersitzt. Nachbarn von psychisch Kranken, die an Wände klopfen, können nur akustische Halluzinationen sein. Dabei hatten die Nachbarn allen Grund, an die Wand zu klopfen, bei dem Lärm, den Lena veranstaltete. Ich merke, wie schwer es für einen Menschen ist, der einmal das Etikett »psychische Krankheit« trägt, wieder glaubwürdig zu werden. Aber meine Versuche, sie zu trösten und sie um Geduld und weniger Strenge gegenüber sich selbst zu bitten, sind unnötig. Lena ist inzwischen trotz ihrer depressiven Stimmung lösungsorientiert. Sie geht zu ihrem Arzt, schildert ihr Problem, und er verschreibt ihr für eine Weile ein zusätzliches Medikament.

    Ihre Soziotherapeutin ist nicht nur nett und kompetent, sondern sie berichtet mir begeistert, wie viel Spaß die Arbeit mit Lena mache. Das erzählt sie mir nicht hinter Lenas Rücken, sondern wir treffen uns in Lenas Wohnung zu einem Espresso. Und ich glaube ihr. Es macht mich glücklich, dass Lena wieder in der Lage ist, Menschen zu gewinnen und ihr liebenswürdiges Wesen zu zeigen. Außerdem ist sie jetzt fest entschlossen, etwas gegen ihre Krankheit zu tun. Nie wieder, sagt sie mir, will sie monatelang allein in ihrer Wohnung sitzen und auf den Fernseher starren. Das wäre furchtbar.
    Nach einigen Wochen überrascht sie mich damit, dass sie am nächsten Tag einen Probearbeitstag in einem Café hat. Frau F., die sympathische Soziotherapeutin, hat gemeint, dass Lena wieder anfangen solle zu arbeiten, und das wird sie nun tun. Ich freue mich, bin aber auch beunruhigt. Lena mit ihrem ausgeprägten Mangel an Feinmotorik, wie sie es selbst bezeichnet, im Café? Ist das nicht viel zu anstrengend? Die Hektik dort? Und spätabends arbeiten? Aber Lena ist nicht davon abzuhalten, und nach ihrem ersten Tag im Service kommt sie begeistert zurück. Es mache ihr großen Spaß, je mehr dort zu tun sei, umso besser. Und sie hätten jetzt auch einen großartigen Wein aus Südfrankreich, ob ich nicht einmal mit einer Freundin vorbeikommen wolle?
    Es beginnt eine schöne Zeit für mich mit Lena. Ich bin gelassener geworden, kann mit ihr in der Wohnung sitzen und Kaffee trinken und die Augen verschließen vor allem, was außerhalb des Umkreises von Sessel, Sofa und Tischchen aufgetürmt ist. Ich erlebe, dass sie mich zu einem Frühstück einlädt, von dem ich bezaubert bin. Auf dem Balkon hat sie einen Tisch mit Blümchen und Kerzen gedeckt. Es gibt Mozzarella mit Tomaten und Basilikum und eine große Platte mit liebevoll zubereiteten Häppchen. Ich freue mich, sie freut sich, dass ich mich freue, und später fahre ich zurück in meine Wohnung und denke, dass es Lena langsam wirklich bessergeht. Es war ein schönes Frühstück, und ich hoffe, dass sie mich wieder einladen wird.

Café Sonnenblume
    Drei Monate nach Lenas Krankenhausaufenthalt sitze ich im kleinen gemütlichen Café Sonnenblume und möchte etwas Schönes essen, ein Glas Wein trinken und in Ruhe ein Buch lesen. Eine hübsche junge Kellnerin mit lockigen dunklen Haaren kommt strahlend auf mich zu. »Heute schmeckt das Lammfilet besonders gut, und dazu solltest du diesen leichten französischen Weißwein trinken. Das ist bestimmt etwas für dich!« Ich umarme und küsse Lena. Sie sieht glücklich aus in ihrer langen Servierschürze und dem T-Shirt, auf dem eine gelbe Sonnenblume prangt. Lena arbeitet seit zwei Monaten im Café Sonnenblume, und wer diese junge Frau sieht, die hocherhobenen Hauptes durch das Lokal navigiert und für jeden Gast ein Lächeln und nette Worte hat, wird sich nicht vorstellen können, dass dieselbe junge Frau sich noch wenige Monate zuvor finster und in sich gekehrt in ihrer Wohnung vergrub. Lena ist gewandt und schnell, stellt Gerichte und Gläser umsichtig auf den Tischen ab, lacht mit den Gästen und weigert sich, sich kurz neben mich zu setzen. »Aber Mami, das geht doch wohl nicht. Als Kellnerin kann ich mich doch nicht an den Tisch der
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