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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Autoren: Janine Berg-Peer
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das macht? »Sie müssen sich zur Aufarbeitung der in der Kindheit erlittenen Traumata zur Verfügung stellen«, sagt dieselbe Therapeutin noch. Ich muss mich zur Verfügung stellen? Vielleicht hätte sie auch sagen können, dass es für Lena und mich hilfreich wäre, wenn wir uns die Zeit nähmen, über Erlebnisse aus der Vergangenheit zu sprechen, die Lena heute noch belasten. Aus ihrer Formulierung spricht meiner Ansicht nach eine bestimmte Haltung uns Angehörigen gegenüber. Die Kinder sind unsere Opfer, und wir haben die Pflicht, etwas wiedergutzumachen. Niemand muss mich davon überzeugen, dass ich vieles falsch gemacht habe. Aber es ist wenig einfühlsam, wenn nicht gar grausam, uns Angehörige auf diese Weise – wieder einmal – als die Verursacher der Schizophrenie unserer Kinder hinzustellen.
    Trotzdem versuche ich artig, die Hinweise der Therapeutin umzusetzen. Ich will doch alles richtig machen. Also stelle ich mich für eine offene und konstruktive Auseinandersetzung zur Verfügung. Wieder einmal beim Spaghettiessen beginnen Lena und ich, offen über Verhaltensweisen zu sprechen, die wir aneinander schwierig finden. Lena erklärt mir sachlich und ohne Vorwürfe, was ihr früher und heute an meinen Verhaltensweisen missfällt. Auch ich kann ihr sagen, was ich belastend finde. Nicht zu allem haben wir die gleiche Meinung, aber das Gespräch tut uns gut.
    Und weil das Gespräch bis hierher so friedlich abläuft, fasse ich mir ein Herz und stelle eine Frage, die mich schon lange quält. »Lena«, frage ich, »manchmal habe ich das Gefühl, dass du mich wirklich hasst! Stimmt das?« Lenas Gabel mit einem großen Bündel Spaghetti Aglio Olio bleibt auf dem Weg zum Mund in der Luft stehen. Sie guckt mich verblüfft an und legt ihre Spaghettigabel energisch wieder auf ihren Teller. Dann steht sie auf, legt ihre Hand auf meinen Arm, gibt mir einen Kuss und sagt freundlich, aber bestimmt: »Also Mami, jetzt sag ich dir mal was. Ich hasse dich nicht, o.k.? Willst du noch einen Wein?«

Nachbemerkung
    Was ich in diesem Buch beschreibe, ist ausschließlich meine Sichtweise. Meine Tochter wird vieles anders erlebt haben, ebenso wie die behandelnden Ärzte und anderen Fachleute. Ich bin keine Expertin für psychische Erkrankungen, sondern ich schreibe über mein Leben mit meiner Tochter und deren Erkrankung. Nicht zuletzt, um zu zeigen, wie meine Tochter, trotz aller Schwierigkeiten und Rückfälle, sich immer wieder erfolgreich zurück ins Leben gekämpft hat.
    Es war eine gute Erfahrung für mich, mein Leben der letzten sechzehn Jahre aufzuschreiben. In manchen Phasen kam die Traurigkeit wieder hoch, die mich in schwierigen Zeiten fast verzweifeln ließ. Und dann wieder konnte ich mich auch an die schönen Zeiten erinnern, die wir miteinander hatten, und daran, wie viel meine Tochter erreicht hat. Trotz der Einschränkungen in ihren Krankheitsphasen ist sie ein kluger, liebenswürdiger und kreativer Mensch geblieben.
    Ich habe erlebt, dass man lernen kann, mit der psychischen Krankheit eines Menschen, den man liebt, angemessen und gelassen umzugehen. Und ich konnte sehen, wie wichtig es ist, den Erkrankten, auch wenn er sich häufig dagegen wehrt, fürsorglich und liebevoll zu begleiten. Aber ich musste auch lernen, dass ich mich nicht selbst aufgeben darf, sondern dass es für mich und meine Tochter gut ist, wenn ich auch an mein Leben denke und eigenen Interessen nachgehe.
    Überrascht hat mich die Einschätzung mancher Betroffener, Angehöriger und Freunde, dass ich ein solches Buch nicht schreiben dürfe, weil das für meine Tochter und mich beschämend sein könnte. Doch psychische Krankheiten sind Krankheiten wie andere auch, und niemand sollte Angst davor haben müssen, darüber zu sprechen. Im Gegenteil, es ist meine feste Überzeugung, dass die Kranken und ihre Angehörigen weniger unter diesen Krankheiten leiden würden, wenn offener darüber gesprochen werden könnte, ohne dass eine Abwertung zu erwarten ist. Dazu gehört auch, dass man mehr über die Krankheiten und ihre Folgen weiß.
    Alle Namen (und teilweise auch das Geschlecht) der handelnden Personen wurden geändert, mit Ausnahme der Autorin. Die verwendeten Anfangsbuchstaben entsprechen nicht denen der realen Namen.

    Ich habe das Buch für Lena geschrieben. Sie ist für mich ein Vorbild dafür, wie jemand mit einer bösartigen Krankheit umgehen kann. Sie ist eine Kämpferin. Von Anfang an hat sie sich gegen die Krankheit, die Zumutungen des
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