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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)
Autoren: Janine Berg-Peer
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weil alles verfilzt war, ich konnte nicht mehr durchbürsten.« Die hellgrünen Wände der neuen Wohnung sind bis zur Decke mit Kaffeeflecken bespritzt. Der Boden ist mit einer Schicht von Papier, zerbrochenen CDs und überquellenden Aschenbechern bedeckt. Lena hat Schnitte an den Füßen, weil sie auf die zersplitterten CDs getreten ist. Es geht ihr wieder sehr schlecht, aber sie versteht noch, dass die Beschwerden der Nachbarn erneut zu einer schriftlichen Abmahnung der Hausverwaltung geführt haben. Ihr droht die zweite fristlose Kündigung innerhalb eines Jahres. Sie hat Angst. Was sie jetzt braucht, ist ein ruhiger Ort, wo ihr der Alltag abgenommen wird. Wo sie nachts, wenn sie nicht schlafen kann, aufstehen und sich einen Tee kochen kann. Oder wo sie Musik hören oder einen Film im Fernsehen sehen kann. Wo sie rauchen oder hin und her laufen kann. An dem sie einen Menschen findet, mit dem sie reden kann. Und einen Ort, den sie auf eigenen Wunsch auch wieder verlassen kann. Das alles ist in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht möglich. Und so sitzt Lena voller Angst verzweifelt, hilflos und wütend in ihrem Chaos.

    Mutig schreibe ich eine Mail an Lenas Arzt und rufe die Betreuerin an, ich kann Lena nicht ihrem Schicksal überlassen. Zwei Tage später informiert mich die Betreuerin, dass sie am nächsten Tag mit der Feuerwehr zu Lena in die Wohnung kommen und sie ins Krankenhaus bringen wird. Ich sollte froh darüber sein, aber im ersten Moment ergreift mich Panik. Wieder Geschrei, Handschellen, glotzende Hausbewohner, Lenas Scham und Angst. Ich weiß, dass sie ins Krankenhaus muss. Ich bin sicher, dass sie wieder die Tabletten abgesetzt hat, und bin froh und dankbar, dass die Betreuerin mich informiert, so gut haben es nicht alle Angehörigen. Es gibt Betreuerinnen, die wie Ärzte und Therapeuten aus Prinzip nicht mit Angehörigen sprechen. Mir wurde erzählt, dass ein Elternpaar erst durch einen Brief des Gerichts erfuhr, dass ihr psychisch schwerkranker Sohn seinem Leben mit einem Fenstersturz ein Ende gesetzt hatte. Der Betreuer hatte die Eltern nicht informiert, denn dazu war er nicht verpflichtet. Aber er hatte dem Gericht ordnungsgemäß die Beendigung der gesetzlichen Betreuung durch Tod gemeldet.

    Glücklicherweise hat Lena nichts dagegen, dass ihre Betreuerin mit mir spricht. Andere Angehörige beneiden mich darum. Und jetzt beruhigt die Betreuerin mich sogar. Die Feuerwehr sei viel freundlicher als die Polizei, sie habe gute Erfahrungen mit Feuerwehrleuten gemacht. Und sie sei der Meinung, dass Lena im Moment zwar krank, aber nicht hochgradig psychotisch sei, so dass sie nach anfänglichem Erschrecken vermutlich friedlich mitkommen werde. Es ist besser so, sage ich mir, nachdem ich den Hörer aufgelegt habe. Es muss sein. Es ist gut für Lena, es gibt keine andere Möglichkeit. Aber dennoch krampft sich mein Magen zusammen. Am Abend bin ich bei Freunden eingeladen, damit ich nicht alleine zu Hause sitze und grüble. Es ist ein schöner Abend, das Essen ist wunderbar, die Gäste sind interessant, und wir lachen viel. Aber trotz der angenehmen Atmosphäre muss ich ständig an Lena denken. Sie weiß nicht, was ihr bevorsteht, und ich sitze hier in einer wunderschönen Wohnung an einem üppig gedeckten Tisch und sehe Lena vor mir, wie sie voller Angst inmitten der Spuren ihrer Verwirrung sitzt und weint. Ich komme mir vor wie eine Verräterin. Sollte ich sie nicht vorbereiten? Aber dann würde sie vielleicht weglaufen oder etwas anderes für sie Schädliches unternehmen. In dieser Nacht kann ich kaum schlafen.

    Am nächsten Morgen warte ich voller Anspannung auf einen Anruf. Mittags meldet sich Lena und erzählt mit sedierter Stimme, dass sie im Krankenhaus sei, und ob ich ihre Sachen vorbeibringen könne. Als ich nachmittags ins Krankenhaus komme, empfängt mich eine extrem schläfrige Lena. Ihre Sprache ist schleppend, sie bewegt sich vorsichtig, ist müde. Sie hat starke Tabletten bekommen, damit sich ihr Zustand nicht noch weiter verschlechtert. Sie freut sich, mich zu sehen, legt sich aber gleich wieder ins Bett.
    Zwei Tage später besuche ich sie wieder und finde eine vollkommen verwandelte Lena vor. Sie begrüßt mich fröhlich, spricht erwachsen und reflektiert mit mir über ihre Einlieferung. »Als ich zu dem Arzt in der Notaufnahme kam, hat er mich gefragt, ob ich auch freiwillig dort bleiben würde. Er sei nicht der Meinung, dass ich zwangsweise auf der geschlossenen Abteilung bleiben
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