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Geheime Depeschen #2

Geheime Depeschen #2

Titel: Geheime Depeschen #2
Autoren: Karsten Sturm
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Folge 2
    London, Pentonville-Gefängnis, 07.12.2010
    Die Gefängniszelle konnte übler nicht sein. Wie befürchtet, ragte aus einer kleinen Nische die übliche Metalltoilette in den spärlich eingerichteten Raum.
    Das Klo im Wohnzimmer und dann noch nicht einmal einen Deckel“, dachte William und rümpfte die Nase, auch wegen des Geruchs, der sich aus dem Abflussrohr im Raum verteilte. Zum Glück hatte die Zelle ein Fenster. Unschön nur, dass es anstelle von Gitterstäben mit vier hässliche Betonstreben versehen war, durch die man fast nicht nach draußen schauen konnte; das ließ den kleinen Raum noch düsterer wirken, als er ohnehin schon war.
    Seine Tasche hatten sie bereits bei der Eingangskontrolle gefilzt. William war stinksauer, weil er fast nichts von dem, was er eingepackt hatte, behalten durfte. Warum man ihm nochmals die Fingerabdrücke abnahm, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären. Notdürftig hatte er sich die blaue Stempelfarbe mit Papiertüchern abgerieben, Wasser und Seife hatte man ihm nicht angeboten.
    Mit wenigen Worten wurde ihm die Hausordnung erklärt. William hörte überhaupt nicht zu. Er dachte in diesem Augenblick nur an Flucht. Bereits als sie durch den langen Flur zu seiner Zelle gingen, trieb es ihm den Puls nach oben. Man konnte es ihm ansehen, er war aufgeregt.
    Die Metalltür schloss sich hinter ihm. Mit seinen wenigen Habseligkeiten und den Farbmarkierungen an seinen Händen fühlte er sich wie eine Laborratte, die auf ein Experiment wartete, das man gleich mit ihr durchführen würde.
    William schaute sich um. Hier gab es nichts, womit er sich die Zeit vertreiben konnte - kein Buch, keinen PC, keinen Kontakt nach draußen. Das bereitete ihm die größten Sorge: Egal, was man ihm in den Medien anzuhängen versuchte, er hatte keine Chance, zu reagieren. Christian durfte erst am Donnerstag zu ihm.
    Er war noch keine fünf Minuten eingesperrt, da überkam ihn bereits Langeweile. William lief auf und ab. Er versuchte sich abzulenken, indem er in Gedanken die verschiedenen Optionen durchging, die ihm in seiner Situation verblieben.
    Angenommen, man überstellt mich nach Schweden, das wiederum ein Auslieferungsabkommen mit den USA hat, und die hängen mir irgendein Vergehen an, dann bin ich schneller in Guantanomo, als ich mir das jemals hätte vorstellen können. Na gut, er übetrieb ein wenig, vielleicht nicht gleich Guantanomo, aber in eines der schlimmsten Bundesgefängnisse würden sie ihn bestimmt stecken.
    William blieb stehen und versuchte, durch die Betonstreben den Himmel zu erkennen, um sich zu beruhigen. Er überlegte weiter.
    “In welchen Staaten gibt es eigentlich die Todesstrafe? Nein, das werden sie nicht wagen.“ William sprach mittlerweile seine Gedanken laut aus. „Zum Märtyrer werden sie mich nicht machen. Allerdings könnten sie mich einige Jahre wegsperren. Was wäre das Nahe liegendstee, weswegen sie mich belangen könnten? Verrat? Hochverrat?“
    Die letzten Worte gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf, es fiel ihm schwer, sich auf andere Gedanken zu konzentrieren. Er überlegte kurz, wie viel Zeit bereits vergangen sein mochte, die Uhr hatten sie ihm natürlich auch abgenommen. Zehn Minuten? Fünfzehn? William kaute unbewusst auf seinen Fingernägeln.
    „Bitte Christian, du musst mich hier auf Kaution rausholen, das halte ich niemals durch“, flehte er inständig „Hier halte ich es nicht aus.“
    Vielleicht half es ja, wenn er etwas schlief?. Dann vergingen wenigstens ein paar Stunden wie im Flug.
    William legte sich auf das unbezogene Bett. Die Matratze kratzte. Vorhänge gab es keine. Er drehte sich zur Wand und schloss die Augen, doch Einschlafen konnte er nicht. Die Dunkelheit half ihm jedoch, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Er versuchte, sich etwas Schönes zu vorzustellen. Irgendwie erinnerte ihn die Matratze an seine Zeit in Byron Bay, wo er noch nicht einmal so etwas gehabt hatte.
    Byron Bay, Australien, Mitte der 1980er Jahre
    Sie schliefen auf Reisigmatten in „Domes“, die wie Iglus aussahen. Tagsüber heizten sich diese Zelte durch die australische Sonne so stark auf, dass es die meisten vorzogen, nachts im Freien zu schlafen. William machte die Hitze nichts aus, er genoss es, wenigstens einmal für ein paar Stunden diese Behausung für sich alleine zu haben.
    William fand sich in Gedanken im Atelier seiner Mutter wieder. Atelier war vielleicht nicht ganz passend, wenn man bedachte, dass die Staffeleien unter freiem
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