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Schiffbruch

Schiffbruch

Titel: Schiffbruch
Autoren: Sissi Kaipurgay
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schmerzt wahnsinnig, als ich antworte: „Der hat es nicht überlebt.“
    Keine fünf Minuten später bereue ich diese Entscheidung, doch selbst wenn ich dem Piloten einen blasen würde, er würde nicht umdrehen. Der Treibstoff reicht nämlich nur noch knapp bis zurück zum Flughafen, was mir die Sonnenbrille deutlich klargemacht hat.
     
    Ich sitze in einem tristen Hotelzimmer und starre die Wand an. In einem Riss hat es sich eine Spinne gemütlich gemacht und lauert auf Opfer. Ich dagegen warte auf den Schadenersatz, den mir der Yachteigner zugesichert hat. Seit einem Monat warte ich nun schon, bin gefesselt an dieses Zimmer in der Hauptstadt von Borneo. Mein Herz ist jedoch auf der Insel geblieben und mit jedem Atemzug wird mir klarer, dass ich einen Fehler gemacht habe.
    Tomaso ist mehr als nur ein kurzer Fick. Oh Mann, nein, gefickt haben wir nicht einmal, wir haben nur gelutscht und gerubbelt. Doch die Zeit, die wir in stummer Eintracht miteinander verbracht haben, die Gespräche, sein Vertrauen und vor allem die Nächte, die wir aneinandergekuschelt auf diesem harten Bett gelegen haben – jede Nacht träume ich davon und jeden Tag muss ich daran denken. Alles, was ich noch vom Leben will, ist zurückkehren und wenigstens einmal diesen Mann küssen.
     
    Am Ende von Monat zwei klopft es an der Tür des tristen Zimmers, das ich mir selbst als Zelle ausgesucht habe. Ich bin inzwischen blass und abgemagert, Liebeskummer Stufe zehn. Die Tür wird geöffnet und ein Kerl mit Sonnenbrille und Anzug tritt ein, hinter ihm zwei bullige Männer in gleichem Outfit.
    Ich komme vom Bett hoch, auf dem ich seit Tagen gelegen habe, und glotze die Typen an. Der Vorderste lächelt, greift in sein Jackett und holt eine Brieftasche hervor. Sein Lächeln wird breiter, als er einen Zettel aus der Börse holt und mir entgegenstreckt.
    „Für ihr Schweigen“, knurrt er.
    Automatisch nehme ich das Papierstück an, das sich als Barscheck über eine Million Dollar herausstellt. Mein Fahrschein, denke ich und gleichzeitig: Welches Schweigen?
    „Halten Sie weiterhin den Mund“, brummt Sonnenbrille, dreht sich um und schon sind die Kerle weg und die Tür knallt ins Schloss.
    Ich glotze den Scheck eine Weile an, da klopft es erneut. Schnell schiebe ich das Papier unters Kopfkissen und gucke gespannt zur Tür. Ein Mann mit einem Köfferchen tritt ein. Ja, ist das hier ein Kasino, und ich habe den Jackpot geknackt?
    „Der Schadenersatz…“, sagt der Mann, „…in bar.“
     
    Um eine Millionen Dollar und dreihunderttausend Euro reicher lässt mich der Kerl zurück. Und nun?
     
    Ganze zehn Tage habe ich gebraucht, um das Nötigste zu regeln. Mein Magen ist zu einem eiskalten Klumpen geworden und die Angst, dass Tomaso etwas zugestoßen sein kann in der ganzen Zeit, beherrscht mein Denken. Die Motoren der Propellermaschine dröhnen laut in meinen Ohren und ich starre runter aufs Meer.
    „Sie sind verrückt“, brüllt der Co-Pilot zum bestimmt hundertsten Mal.
    Ja, das bin ich wohl. Verrückt nach Tomaso. Ich prüfe wieder und wieder die Gurte des Fallschirms, dann haben wir das Ziel erreicht: Meine Insel. Ich konnte das Eiland für einen symbolischen Wert erwerben, mit der Auflage, dort niemals Tourismus aufzuziehen. Das habe ich auch gar nicht vor. Ich will Tomaso die Insel schenken, zusammen mit meinem Herzen.
    „Jetzt“, befiehlt der Co-Pilot und kommt nach hinten, um mir beim Ausstieg behilflich zu sein.
    Als Erstes geht der Fallschirm mit dem Gepäck über Bord und dann springe ich hinterher. Zum Glück habe ich das schon öfter gemacht, während meiner Zeit bei der Bundeswehr, sonst würde ich mir jetzt ganz sicher in die Hose pinkeln.
    Ich ziehe die Reißleine und der Schirm entfaltet sich, zieht mich mit einem harten Ruck kurz nach oben, bevor es weiter stetig nach unten geht. Dort ist unser Unterstand und da der Fluss. Ich betrachte alles mit verklärtem Blick, bin in Gedanken bei den Spielen, die Tomaso und ich dort getrieben haben. Oh Gott, hoffentlich geht es ihm gut.
     
    Ich lande im seichten Wasser und wate zum Strand, den Schirm hinter mir herziehend. Der andere muss weiter im Landesinneren heruntergegangen sein, doch ich werde ihn schon finden. Ich löse die Gurte, schleppe den vom Wasser schweren Stoff bis zum Ende des Strandes und lass ihn dort liegen.
    Aufgeregt laufe ich unter Palmen den gewohnten Weg zum Fluss. Es herrscht absolute Stille, nur durchbrochen von ein paar Vogelgeräuschen. Die Lichtung mit dem
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